Loa Loa - nicht nur in den Medizinbüchern!

November 2013

Nach der Kindersprechstunde im Dorf kam noch eine Mutter zu mir, die über starken Juckreiz im Auge klagte. Neben einem größeren wurmartigen Gebilde in der Bindehaut, tanzten in der Iris silberglänzende fadendünne Würmchen hin und her. Dabei ist der Körper schon stark mit den Filarien Parasiten übersät. Nur kurze Zeit zeigen sich diese Augenerscheinungen und später wird das ganze Auge und die Netzhaut geschädigt. So war es ein guter Zufall, dass ich an diesem Abend im Dorf war. Gleich am nächsten Tag begannen wir die notwendige Behandlung.

Heh Onil - wie ist deine Blutgruppe!

Wir hatten das 5-jährige Mädchen Matti mit einer Anämie (Hb 5g%) und deutlicher Schwäche aufgenommen, so dass eine Bluttransfusion notwendig wurde. Jedoch woher den Spender nehmen, wenn das Regierungskrankenhaus uns dazu auffordert, einen zu finden, da es dort an der Blutbank keine passende AB Rh+ Blutkonserve gibt. Der nachbarliche Priester von uns erklärt sich sofort bereit, sein Blut zu geben, jedoch ist er mit seiner Blutgruppe eher ein Universalspender. 

Als wir am Nachmittag ins Dorf nach Ghosaldanga zur Kindersprechstunde gehen, kommt uns Onil, ein junger Mann entgegen. Unser Gesundheitshelfer Satya assoziiert sofort seine Blutgruppe: der hat doch AB RH+! Er hatte schon einmal für eine anämische Frau in diesem Dorf gespendet - bei ihr war es ähnlich gewesen. Wir bestellten damals in unserer Not 20 stattliche junge Männer zur Blutgruppentestung ins Krankenhaus und konnten dabei einen passenden Spender finden. Jedoch fand Onil unser Anliegen, Blut zu spenden, gar nicht gut und zog mit seinem Ochsengespann weiter. 

Am nächsten Morgen konnte ich ihn mit Hilfe seines Bruders, der seine Tochter gerade bei uns im Krankenhaus stationär hatte, zur notwendigen Blutspende herbeirufen. Die “zufälligen“ Momente sind doch eine höhere Fügung.

OP für Tuberkulose-Jungen

Debashis, unser kleiner Patient mit der Knochentuberkulose, den wir nach Kalkutta verlegen konnten, meldet sich am Telefon bei unserem Helfer Pankaj, er bekäme morgen eine Operation und benötige dafür Medikamente, OP-Materialien und Infusionen, die er noch kaufen müsse und wisse nicht wie und womit. Also plant Pankaj sofort, nächtens nach Kalkutta zu fahren, um noch hoffentlich rechtzeitig vor der geplanten OP alles bei der Apotheke besorgen zu können.

Jedoch bekommen wir mal wieder Hilfe von den German Doctors in Kalkutta, wo die zuständige deutsche Ärztin rasch einen Fahrer losschickt, um die notwendigen Materialen für den kleinen Patienten zu besorgen und das nötige Geld dazu selbst auslegt. Nur das Nahtmaterial war nicht zu bekommen, hoffentlich wird morgen nach der OP die Wunde am Bein auch wieder zugenäht!!!!

Lizenzenlauf - bis zum Umfallen

Unsere Krankenhaus-Lizenz muss erneuert werden und benötigt mal wieder endlos viele Zertifikate und Zeugnisse. Alles ist beantragt aber bleibt einfach auf dem Schreibtisch der zuständigen Behörden liegen, wenn man nicht wöchentlich anruft und sehr höflich um eine Bearbeitung bittet – sofern man unter dem Tisch nichts hinübergeschoben hat. Als wir unseren Antrag selbst abholen wollten, um ihn an das Gesundheitsamt weiterzureichen, sagte der Medical Officer nur: Ach, ich habe das Papier zuhause vergessen???

Wir haben ein Sonografie-Gerät besonders für die Schwangerschaftsvorsorge gekauft, da es sehr viele Geburtskomplikationen gibt. Hierzu benötigt man ein Zertifikat, das einen zum Sonographieren berechtigt und verbietet, das Geschlecht des Kindes preiszugeben. Das wird dadurch garantiert, dass unser Röntgenraum vermessen und beurkundet wird, eine Handelslizenz vorliegt, der unterzeichnende Radiologe seine Facharztprüfung vorlegt, die Anstellungsurkunde der Krankenschwestern und Putzfrauen vorliegen und vieles mehr… 30 Papiere benötigen wir und sollen 600€ an die Regierung bezahlen!!!!! Das möge noch einer verstehen...??

Neues Dorf mit Wassermangel

Wir besuchen ein neues Dorf, das sehr abgelegen im Dschungel liegt. Es besteht ein akuter Wassermangel, da für 500 Bewohnen nur eine Handpumpe zur Verfügung steht. Viele Hauterscheinungen entpuppen sich als warzenartige Dreckhügel und eingewachsene Lehmschichten, wobei die trockene und parasitenbeherbergende Haut zusammen mit dem Vitaminmangel, der Mangelernährung und fehlender Hygiene rasch offene Wunden entstehen lässt. Die Kinder haben nur wenige Kleiderfetzen auf der Haut. 

So entschließen wir uns zum Großeinkauf und packen unser Auto voll warmer Kinderkleider. Zuvor haben wir alle Kinder unter 5 Jahren auf eine Liste gesetzt und unser Vorhaben mit dem Dorfsekretär abgesprochen, damit es keinen Streit gibt bei der Verteilung. Die großen Jungs bekommen einen Fußball und dürfen sich warmlaufen!! Es hat viel Freude gemacht, die leuchtenden Kinderaugen zu sehen, als sie mit den schönen warmen Kleidern bedacht wurden.

Plötzlich Waise

Eine junge Mutter ist in Ghosaldanga an einer Lungenerkrankung plötzlich verstorben. Daraufhin ist der Vater davongelaufen und hat seinen zweijährigen Sohn Sundip zurückgelassen. Wir besuchten das Kind bei der Großmutter und konnten mit einer Patenschaft die Not überbrücken helfen und sehen, wie die 17-jährige Cousine sich ganz liebevoll diesem Kind nun annimmt.

Volontäre aus Deutschland – eine wertvolle Stütze

 

Wir hatten im November wieder eine deutsche Kinderkrankenschwester, Simone bei uns. Sie hat sich besonders der Ausbildung unseres Personals gewidmet, da fast keine Anatomiekenntnisse bestehen. Die wichtigsten Krankheitsbilder hat sie geduldig erklärt und selbst unsere Sr. Lissy begeistern können.

Auch Anne und Rolf Bucher waren wieder 5 Wochen bei uns und haben in 10 Dörfern Gemüsegärten angelegt. Natürlich auch wieder Moringa geerntet und unsere Ernährungsprogramme mit diesem wertvollem Pulver angereichert. In einem Dorf haben 80% der Bewohner nun einen Gemüsegarten und können somit ihre karge Reis-Linsen Mahlzeit ergänzen. In der Dorfbäckerei wurden die Moringa-Kekse gebacken und gleich an die Dörfer für die mangelernährten Kinder weitergegeben.

Treues Team in Indien

Langsam bildet sich ein treues und verantwortliches Team heran. Pankaj, ein ehemaliger Patientenvater, betreut alle Patienten, die verlegt werden müssen und vergisst keinen Termin. Auch sorgt er für notwendige Lebensmittel für den „Ernährungstag“/Nutrition Day im Krankenhaus. Er war einst Hotelmanager. 

Jayanto, ein Sanskrit-Student ohne Anstellungschancen, radelt von einem Dorf ins andere, damit bei den Ernährungsprogrammen auch ja nichts fehlt und kontrolliert, dass alle Kinder anwesend sind. Gleichzeitig lernen wir ihn im Labor an. Er scheint ein Multitalent zu sein! 

Und immer sehr herzlich dabei ist Satya, unser Koordinator. Er ist die gute Seele und meine rechte Hand. Treu erfüllt er die notwendigen Ämtergänge und verhandelt mit sehr viel Freundlichkeit. 

Jedoch bedarf es bei den administrativen schweren bis gar nicht einsehbaren Verhältnissen eines Insiders wie Snehadri, unserem langjährigen Freund und Ingenieur. Er kennt alle Schliche, so dass Genehmigungen doch plötzlich möglich werden können. Mit sehr vielen Emotionen verhandelt er mit unseren Geschäftspartnern, gestikulierend, laut, um dann schließlich auf eine einvernehmliche Lösung mit einem Schmunzeln sich einzupendeln.  

Auf unsere indischen Studenten Kallol und Anindita bin ich ganz stolz. Sie haben sich so sehr entwickelt und stellen sich immer mehr auf die Bedürfnisse der Santals ein und können zunehmend besser erkennen, wie sie in ihrer Kultur und Tradition am besten angesprochen und erreicht werden. Mit viel Enthusiasmus trommeln sie die Mütter und Kinder aus den Dörfern zu uns ins Krankenhaus zusammen, wo sie dann geschult, ärztlich untersucht und im Kochen angeleitet werden.

Willkommen im Leben! Erste Entbindung in unserer Kinderklinik…

Wir haben auch schon eine Entbindung bei uns im neuen Bau gehabt. Die weitere Nachfrage blieb jedoch auf der Strecke, da unsere zuständige Hebamme/Schwester im Konvent eingebunden ist und nicht immer verfügbar ist. Krankenschwestern zu finden bleibt ein großes Problem…. Wir müssen sie selbst ausbilden und haben schon 8 Aspiranten aus unseren Santaldörfern, die im Oktober einen Hilfsschwester-Schnellkurs in Bolpur belegt haben. Die praktische Anleitung soll dann mit unseren deutschen Krankenschwestern bei uns stattfinden… So bleibt doch ein hoffnungsvoller Ausblick.

Rückblick – Liebe ernten!

Dankbar darf ich wieder auf diese Wochen schauen, wo deutlich die Handschrift Gottes zum Vorschein kommt und wir als Werkzeug in Seiner Hand tätig sein dürfen und nicht allein alles bewerkstelligen müssen. Ein Leitspruch des Kirchenvaters Augustinus war mir ein guter Begleiter: Versuche in Liebe zu kleiden, was nicht von Liebe zeugt und du wirst Liebe daraus ernten..