Erfrischung gefällig!

 Februar 2013

Bei unserer Ankunft waren nur wenige Kinder im Krankenhaus und unsere Schwester Lissy erwartete uns schon sehnsüchtig. Also begannen wir gleich mit den Dorfbesuchen, um die Patienten wieder einzusammeln und wir sind weiter dabei, diese Krankenhausarbeit auf stabile Beine zu stellen. Dabei besuchten wir auch einen Arzt, der uns bei der Lizenz behilflich war, und uns zusicherte, auch mal mit in die Dörfer zu gehen. Die erste Verabredung hatte er vergessen und war auf den Markt einkaufen gegangen. Bei der zweiten Einladung wurden wir freundlich empfangen und auf unsere Frage, ob er bei den Dorfvisiten mitmache, fragte er nach einer Erfrischung – nur Tee oder Kaffee, keine volle Mahlzeit! Silvi meinte, das sei kein Problem, es gäbe auch einen Keks dazu. Zu Hause dämmerte uns dann, dass er die Bezahlung meinte und Satya erklärte uns daraufhin, dass das die übliche Umschreibung einer Gehaltsvorstellung war.

Seife statt Antibiotikum

Eine große Unterstützung für unser Krankenhaus war die deutsche Intensivkrankenschwester Julia. Voller Elan ordnete sie unsere Schränke sinnvoll mit dem medizinischen Zubehör und führte unsere Hilfsschwestern rasch an einen geordneten Tagesablauf heran. Zum ersten Mal in ihrem Leben erfuhren unsere kleinen Patienten eine liebevolle Pflege, wurden gebadet, Nägel geschnitten und frisch eingekleidet.

Im Krankenhaus erschien ein Kind ganz verängstigt mit einer Packung eines Antibiotikums, das wir ihm nach Anweisung eines externen Arztes spritzen sollten. Das Kind hatte am ganzen Körper Krätze mit starkem Juckreiz. Unsere hochmotivierte Julia nahm das Kind unter ihre Fittiche. Sie gab ihr nach ihrem ersten Bad eine Seife mit nach Hause. Am nächsten Morgen kam es mit der Seife wieder und wollte noch mal so schön gebadet und eingeseift werden. Auf ihrem Gesicht erschien nun ein Lächeln und sie blieb gleich noch zum Malen und Spielen bei uns, und wir konnten deutlich sehen, wie sie sich wohl fühlte.

Von einem Dorfbesuch brachten wir ein Kind mit, das sich die Hand verbrüht und riesige Blasen über Hand-und Fingergelenke hatte und die Finger nicht mehr bewegen konnte. Wir nahmen sie bei uns auf, und Julia lernte unsere Krankenschwestern an, hygienisch sauber diese Wunde zu versorgen. Nach zwei Tagen blühte auch dieses Kind sichtlich auf und strahlte nach frischem Bad und neuer Einkleidung.

Wunder geschehen immer wieder

Da wir nun mit Julia eine patente Intensivkrankenschwester bei uns hatten, kam auch gleich das notleidende Intensivkind dazu. Am Sonntagnachmittag erschien in unserer Ambulanz ein schwer krankes Kind mit dicken Lymphknoten am Hals und offenen Geschwüren am Gesäß. Es war abgemagert auf 9 Kilogramm mit seinen sechs Jahren und war stocksteif durch eine Tuberkulose-Hirnhautentzündung. Dieses Kind war bereits in einem auswärtigen Krankenhaus gewesen und nach einer kurzzeitigen Therapie wieder entlassen worden. Wir konnten es notfallmäßig gut versorgen und Julia begleitete am nächsten Tag den Transport in ein Kinderkrankenhaus nach Kalkutta, wo sie jedoch sehr ins Schwitzen kam, nachdem das Kind während der Zugfahrt eintrübte. Durch die Hilfe von „Ärzte für die Dritte Welt“ in Kalkutta konnte das Kind gleich auf die Intensivstation aufgenommen werden. Mittlerweile hat es sich schon wieder erholt, spricht und trinkt und muss jetzt noch lange Zeit seine TB-Medikamente einnehmen.

Einen Sonntag später erschien erneut ein schwer krankes Kind mit einem dicken wassergefüllten Bauch. 11 Jahre alt und abgemagert auf 18 Kilo und Atemnot sowie einer Leber- und Milzvergrößerung bis ins kleine Becken. Nach einer Erstversorgung fuhren wir es noch in der Nacht nach Kalkutta in ein Kinderkrankenhaus, wo ein Hämoglobin-Gehalt von 2,6 g% (Norm: 12 g%) gemessen wurde. Wegen dieser schweren Blutarmut benötigte das Mädchen sofort eine Bluttransfusion und wir fuhren nächtens durch Kalkutta und besorgten eine Blutkonserve in einer Blutbank. Für ihre Eltern wären all diese Schritte unmöglich gewesen. Sie hatten nicht mal Geld, um im früheren Krankenhaus die Diagnostik zu bezahlen und Medikamente zu besorgen. Nach einer aufwändigen Diagnostik wurde eine Tuberkulose vermutet. Die dortigen Ärzte hatten dieses Kind bereits aufgegeben und wollten es schnell entlassen. Nur durch unser Insistieren fuhren sie mit der Diagnostik fort und begannen die TB-Behandlung. Bei dem Kind ist ein deutlicher Willen zum Leben spürbar. Sie erklärte uns, dass sie sich neue Ohrringe wünscht, außerdem Gemüsebällchen. Die Mutter war ganz glücklich über die unerwartete Hilfe und lief uns immer strahlend hinterher, bis wir das Krankenhaus verlassen hatten.

Eine gelungene Herzoperation

Ein 10-jähriger Junge hatte eine schwere Herzfehlbildung und bekam auch in Ruhe nur schwer Luft. Durch unsere finanzielle Unterstützung und den unermüdlichen Einsatz unserer Schwester Pheelima konnte das Kind in Kalkutta operiert werden, und wir durften es froh und glücklich über das neu geschenkte Leben wieder in Empfang nehmen.

Weiterhin konnten wir einem Kind mit einer aplastischen Anämie für eine Knochenmarktransplantation helfen. Nun ist sie auf dem Weg der Besserung. Ihr Vater war so dankbar, dass er nun bei uns mitarbeitet und unsere kleinen Patienten in auswärtigen Krankenhäusern betreut und die notwendigen Medikamente für sie organisiert.

 

In einem abgelegenen Dorf, wo uns unser Koordinator Kallol hingeführt hatte, fanden wir viele Patienten mit seltsamen Hauttumoren und schwerer Mangelernährung. Unser Arzt Dr. Sittaram konnte die Hautpatienten gleich bei uns im Krankenhaus chirurgisch versorgen.

Tuberkulose-Patienten schwer zu versorgen

In unserer Ambulanz erschien eine 40-jährige Frau, die gerade noch 25 Kilo wog und lange Zeit hustete. Die Diagnose einer Tuberkulose konnte sehr rasch gestellt werden. Auch der nächste Patient am gleichen Tag hatte die gleichen Symptome und es bestätigte sich ebenfalls diese Diagnose. In den Dörfern verlieren wir bisher oft verdächtige TB-Patienten, da sie die umständlichen Wege der Diagnostik in der entfernten Stadt aus Geldnot nicht tun können. Auch fehlt es oft an Krankheitseinsicht bei fehlender Aufklärung oder die dringende Feldarbeit geht vor.

Wir fanden auch einen Patienten mit einem stark eiternden Lymphknoten-Abszess im Hals-Kieferbereich, der von einem Krankenhaus ins nächste geschickt wurde, bis endlich eine Gewebeprobe entnommen wurde, wodurch sich die Tuberkulose bestätigte. Mit diesem Befund ging er ins zuständige TB-Krankenhaus, wo er jedoch ohne Medikamente abgewiesen und nicht in das staatliche kostenfreie TB Programm aufgenommen wurde. Stattdessen verwies ihn der zuständige Arzt in ein weit entferntes Universitätskrankenhaus zur weiteren Diagnostik. Immer wieder ist es für uns erschütternd zu erleben, wie wenig Heilungswillen bei manchen lokalen Ärzten anzutreffen ist. Wir haben nun selbst die Therapie übernommen.

Antrag auf Tuberkulosezentrum läuft

Nun beantragen wir bei der Regierung selbst ein mobiles Tuberkulosezentrum aufbauen zu können, wobei wir auf gute Resonanz stoßen und die ersten Ausbildungskurse unseres Personals bereits stattgefunden haben. Momenten sind wir dabei den Röntgenraum zu bauen und einzurichten mit all den Schutzvorkehrungen und  zahlreichen notwendigen Lizenzen. Zum Glück haben wir einen Laboranten, der auch Radiologie-Assistent ist.

Um unsere TB-Suche in den Dörfern zu verbessern hatten wir die deutsche Medizinstudentin Lilian bei uns. Sie macht eine Studie in einem Dorf mit Familienbesuchen, wobei sie die TB-Verdächtigen aufsucht und die Diagnostik in die Wege leitet. Sie fand insbesondere Patienten, welche die TB-Therapie abbrechen und TB-Verdächtige, für welche die einzelnen Diagnostikschritte zu viel Kraft kosten. Künftig wollen wir an einem Tag alle diagnostischen Schritte bei uns durchführen und die Befunde mit dem TB-Arzt besprechen. Für eine kontinuierliche Medikamenteneinnahme der Patienten bilden wir Dorfhelfer aus. Besonders Kinder unter fünf Jahren sollen in den betroffenen Familien eine präventive Therapie erhalten.

Neues Studenten-Team

Silvi hat mit unseren neuen Studenten Kallol, Giranjib, Anindita und Chayanika ein Dorfmanagement auf die Beine gestellt, wobei die Studentinnen die Schwangeren betreuen und die mangelernährten Kinder ausfindig machen. Unsere Studenten versuchen vorab durch Hausbesuche TB-Verdächtige ausfindig zu machen und einen Gesundheitshelfer ans Krankenhaus anzubinden, wo wöchentlich eine Fortbildung für sie stattfindet. 

Wir bemühen uns darum, dass unser Krankenhaus in die Herzen der Dorfbewohner gelangt, indem wir durch präventive Schulungen und therapeutische Begleitung besonders die Lebenskräfte ihrer Kinder zu stärken versuchen.

Frauenrechte noch in ferner Sicht

In einem unserer Dörfer führten wir gemeinsam mit unseren Studentinnen eine Schwangerschaftsfortbildung über Prävention und Gabe von Zusatznahrung durch. Darauf wurden die Mütter sehr aufgeschlossen und erzählten ihre Nöte. Eine junge Mutter, im achten Monat schwanger, mit zwei kleinen Kindern sah deutlich schwach aus und wog gerade noch 38 Kilo. 

Sie gab ihre Schwäche zu, jedoch hat sie keine Chance auf Erholung. Hausbau und Kochen wurden von ihr verlangt, solange sie sich auf den Beinen halten kann. Ihr Mann erlaubte es nicht, sie bei uns im Krankenhaus aufzunehmen, um sie für die Geburt zu stärken.

Verstärkung ist notwendig

Die Krankenhausarbeit hat deutlich zugenommen, sodass wir dringend Ärzte und Krankenschwestern zur Verstärkung brauchen. Wir haben stundenweise Ärzte engagieren können, zwei lokale Hilfskrankenschwestern dazubekommen und einen Arzt für die Dorfbesuche gewonnen. Für den Aufbau unserer Entbindungsstation können wir auch Gynäkologen und Hebammen aus Deutschland gebrauchen. Auch tropenmedizinisch erfahrene Kinderärzte sind sehr willkommen.

Prächtige Gemüsegärten

Durch den wunderbaren Einsatz der Familie Bucher haben wir in den Dörfern, in denen unsere Ernährungsprogramme laufen, nun bei 35 Prozent der Familien reich tragende Gemüsegärten vorgefunden. Ein Dorfbewohner hat mehrere, viele Früchte tragende Auberginenstauden und konnte sein Glück kaum fassen, sodass er voller Begeisterung uns durchs Dorf hinterherlief und sofort sein Saatgut an die Nachbarn weiterverteilte. Die Studenten führen gemeinsam mit Nilu den Gemüseanbau fort und pflanzen nun das Sommergemüse.

Auch das Moringa-Pulver wird weiterhin gut angenommen und ergänzt mit vielen Vitaminen und Mineralien die Mahlzeiten für die Kinder und Schwangeren in den Ernährungsprogrammen. Die Neugeborenen haben ein deutlich höheres Gewicht im Vergleich zu den Kindern ohne Ernährungsprogramm. So können sie gekräftigt ins Leben starten.

Shining Eyes India

Um unsere medizinische Arbeit langfristig auf stabile Beine zu stellen haben wir nach langen Vorbereitungen einen indischen Verein gegründet. Ganz besonders hat uns dabei unser langjähriger Freund Snehadri geholfen! Mit gegründet wurde „Shining Eyes India“ durch unseren zuverlässigen Gesundheitskoordinator Satya, unseren befreundeten Kinderneurologen aus Kalkutta Prof. Dr. Swapan und unseren Freund vom Institut für ländliche Entwicklung Dr. Sujit.

Monika als Vereinsvorsitzende kann somit ihre Arbeit für die Zukunft nachhaltig absichern. Die fünf Gründer durften mit 50 Fingerabdrücken, 15 Passbildern und an acht Schaltern des Registrierungsbüros ihr Ja zum Verein bekunden. Shining Eyes India soll das Krankenhaus stützen und die Arbeit der Gesundheitshelfer und des medizinischen Teams tragen.

Ausblick

Wir staunen sehr, wie sich unsere Arbeit ausgedehnt und entwickelt hat. Wie klein wir doch angefangen haben und wie viele helfende Hände von unseren Freunden in Indien zum Gedeihen beitragen. Ganz besonders dürfen wir spüren, dass unsere Arbeit unter Gottes Segen steht. Wie vom Himmel gerufen erschienen manchmal Helfer, um unwegsam erscheinende Situationen gangbar zu machen. Auch fügte sich eine helfende Hand in die andere, um unsere schwerkranken Kinder gut zu versorgen.

Die Wege sind schon vorgeplant. Wir müssen sie nur gehen, auch wenn noch viele Stolpersteine dazu gehören. Dankbar kehren wir nach Hause zurück, wohlwissend dass immer mehr Aufgaben anstehen und wir auf weitere helfende Hände angewiesen sind.

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