Wir zählen die Wunder, nicht die Probleme
Februar 2014
In einem Dorf hatte eine Santal-Frau mit ihrem Sari an einer offenen Feuerstelle Feuer gefangen und sich an Beinen und Gesäß verbrannt. Notfallmäßig wurde im Dorf Lehm auf die Brandstelle aufgebracht. Sie wurde ins Regierungskrankenhaus gefahren und dort mit einer weißen Paste versehen, worin der Sari festklebte und weiter in eine Uniklinik 60 km entfernt verwiesen. Die Dorfhelfer fragten bei uns um Hilfe an und wir waren froh, sie versorgen zu dürfen.
Wir gaben ihr Schmerzmittel und reinigten die Wundflächen und konnten Beine und Unterleib sauber verbinden und die notwendigen Infusionen geben. Täglich wurde sie von unseren Schwestern frisch verbunden und die Wunden heilten gut zu und bald schon konnte sie wieder auf den Beinen sein. Das halbe Dorf kam zu Besuch und freute sich über diese unerwartete Hilfe.
Vor Hunger weinend
In einem weiteren Dorf suchten wir eine sehr kranke Frau auf, wohin uns unser Student Kallol geführt hat. Sie war auf 20 kg abgemagert und lag in der Hütte, neben ein paar habseligen Bechern und leeren Töpfen neben der Feuerstelle. Mäuse rannten zwischen den leeren Reissäcken herum. Die junge Frau, Mina, konnte nicht mehr aufstehen und vor ihrer Hütte spielten ihre 3 kleinen Kinder, auch schon hustend.
Wir konnten sie mit einem Rikscha-van zu uns holen und hatten nach der Blutabnahme und Röntgenbild schon den Verdacht auf eine Lungentuberkulose. Der Sputum-Test war im Labor als negativ beurteilt worden, woran wir unseren Zweifel hatten, nachdem wir sahen, wie viel Schleim sie abhustete. Ihr Ehemann war arbeitslos und hatte kein Geld, um Essen zu kaufen, jedoch reichte es ihm noch zum Kaufen von Reis-Bier.
Als wir sie erneut in ihrer Hütte aufsuchten, um die notwendigen Medikamente und eine warmes Essen zu bringen, weinte sie vor Hunger und war ganz allein gelassen, ebenso ihre Kinder. Gierig aß sie von der mitgebrachten Reismahlzeit. Am nächsten Tag brachte der Ehemann seine 3 Kinder und seine Frau zu uns ins Krankenhaus und machte sich danach aus dem Staub.
Auf die Frage, warum sie nicht schon früher zum Gesundheitshelfer bzw. ins Krankenhaus ging war die Antwort, dass sie schon spürte, dass sie schwach sei, aber ein Nachbar hätte sie verhext und das sei keine Krankheit.
Die antituberkulöse Therapie sprach recht rasch an und nach einer Woche konnten wir sie schon kurz an die Bettkante setzen. Die Kinder hatten mittlerweile alleine den Weg zum Dorf zurückgefunden, werden prophylaktisch behandelt und bedürfen noch unserer weiteren Unterstützung. Unsere Volontärinnen Anni und Daniela hatten sich der Kinder ganz angenommen, so dass sie nun auf ein nahe gelegenes Internat gehen können. Sie wurden neu eingekleidet, Schulbücher gekauft und für die Internatsaufnahme alles vorbereitet. Der Vater ist stolz und nimmt diese neue Patenschaft dankend an. Mutter Mina kann sich so lange unbesorgt erholen und wieder zu Kräften kommen.
Die Affen sind los!
Unser Frühstück wurde eines Morgens unliebsam gestört als unvermittelt ein großer Affe in unser Zimmer eindrang. Sollten wir nun lachen oder ihn verscheuchen oder uns verstecken? Er ließ sich nicht stören und suchte in unserem Medikamentenregal zielsicher nach einer Kekspackung und hüpfte mit ihr davon. Sofort waren 10 Affen vor unserer Türe und der dicke Affe setzte zum zweiten Einmarsch an.
Wir rannten zur Nachbarin und baten um Hilfe, wie man wohl diesen Eindringlingen am besten beikommen könnte? Sie wusste sofort durch laute Hauch- und Gurrlaute die Affenbande zu verscheuchen. Laut lachend und sichtlich amüsiert von uns Affenunkundigen ging sie wieder davon.
Außer Rand und Band
Im Krankenhaus hatten wir einen Jungen mit einer ausgedehnten offenen eitrigen Wunde, die fast das ganze Bein umfasste. Die Wunde wurde schön gesäubert und verbunden, auch eine antibiotische Infusionsbehandlung angesetzt. Am nächsten Tag war er jedoch plötzlich ganz außer sich, rannte davon und wurde am Bahnhof wieder gefunden.
Ein Priester brachte ihn zurück, worauf das Ausreißen sich unter einem dramatischen theatralischen Auftritt wiederholte. Unter Beißen und Ringen ließ er sich den Infusionszugang noch entfernen, bevor er flüchtete. Auch am nächsten Morgen kehrte er nicht wieder in sein Dorf zurück. Ich bat den Priester erneut, ihn zu suchen. Am Mittag kehrte er dann doch noch zurück und unser mobiles Team fuhr in sein Dorf, und verband seine Wunde und gab ihm die nötige Medizin.
Im Schock der Erinnerung
Am Sonntagabend hatten wir noch Sprechstunde mit unserem befreundeten Kinderneurologen im Krankenhaus. Plötzlich erschien ein uns bekannter Vater, ganz aufgelöst weinend und am Boden kauernd. Seine Tochter, unser einstiges großes Sorgenkind Asrupi mit der Bauchtuberkulose, sei wieder sehr krank und würde Blut spucken und wäre nur noch Haut und Knochen. Sofort fuhren wir mit einem Ambulanzwagen sofort in sein Dorf, um Asrupi zu uns zu holen.
Dort entpuppte sich alles wie ein Spuk, Asrupi ging es gut! Sie nahm nun seit einem Jahr die TB Medikamente, und wir konnte ihre Heilung und Stärkung und ihr Aufblühen in den letzten Monaten mit Freude beobachten. Der Vater stand unter Alkoholeinfluss und hatte eine Halluzination, wobei er noch die schrecklichen Bilder seiner Tochter vor einem Jahr vor Augen hatte.
Auf jeden Fall hatten wir nun Asrupi drei Tage bei uns, konnten sie gut ernähren und auch eine begleitende Hüfterkrankung abklären.
Röntgengerät – gekapert – geliefert!
Ein Röntgengerät hatten wir bereits vor einem Jahr bestellt und wurden stets vom Vertreiber hingehalten, dass eine Lizenz bei der Atombehörde einzuholen sei, wobei die Reihenfolge des Antragverfahrens der Firma nicht vertraut und uns nicht verständlich erschien. Es gab 1000 Er-klärung, warum nicht geliefert werden könne und beim letzten Ultimatum wurde der Transport eines alternativen Gerät auf die Fahrt zu uns geschickt.
Bei Nacht wurde der Transporter bei der Einfahrt in unsere Stadt angehalten und genötigt von der Tagelöhner-Arbeiter-Gewerkschaft jetzt fünf Tagelöhner mitzunehmen. Diese sollten dann die Ware ausladen und müssten entsprechend bezahlt werden. Jede andere Person zum Ausladen wurde abgelehnt, ansonsten dürfe der Transport nicht passieren.
Dabei stellte sich heraus, dass die Kapernden, welche sofort zustiegen, genau den Weg in unser Hospital wussten und dem unkundigen Fahrer den Weg weisen konnten. Sie hatten dieses Verfahren bereits schon einmal exerziert, als es um die Lieferungen unserer Klinikbetten ging. Es stellte sich dann doch als gute Hilfe heraus, da die Teile sehr schwer waren und wir auf die Schnelle bei Nacht nicht so viele tatkräftige Männer hätten herbeischaffen können.
Der Ingenieur am nächsten Tag machte einen deutlich kompetenteren Eindruck und wir konnten das Röntgengerät installieren, jedoch noch ohne Lizenz, die erst nach Abmessungen der Raum-aufteilung von der Atombehörde ausgestellt werden kann. Der Printer steht auch noch aus, so dass wir das Gerät vorerst noch nicht benutzen können.
Ebenso geht es mit unserem gekauften Sonographiegerät nicht vorwärts. Es bleibt verpackt bei uns liegen, solange wir nicht die Genehmigung von der Gesundheitsbehörde haben. Alle nötigen Papiere haben wir letzten November eingereicht. Es fehlt nur das Statement des zuständigen Medical Officers, der es immer wieder vergaß auszufüllen. Nun sollte aber Anfang März die Lizenz bereit sein.. Aber doch wieder nicht, da Wahlen anstehen und zuvor alle andere administrative Arbeit ruht!
Besucher und liebe Helfer
Wir hatten diesmal Besuch vom deutschen Generalkonsul, Herrn Schmiedchen, und von der deutsch-indischen Handelskammer, welche uns mit dem SES (Senior Expert Service) dieses Jahr behilflich sein wollen. Auch schon im Februar hatten wir eine reiche Verstärkung mit Anni Fail, Ärztin aus Österreich, und einer französischen Ärztin, Marie Claude, die gerne für 2 Jahre bei uns bleiben möchte.
Silvi hat mit einer Eselsgeduld die ganzen Medikamentenregale neu geordnet und beschriftet und allen Ärzten unsere verbindliche Liste vorgelegt. Auch wurden die Zuständigkeiten des Personals eingeübt und festgelegt, damit nicht alle zusammenlaufen oder davonlaufen, wenn ein Patient notfallmäßig zu versorgen ist.
Mit Geduld und viel Zuwendung haben wir gespürt, wie alle in unserem Krankenhausteam motiviert waren und ihr Bestes gaben. Der gute Wille macht dann doch so viel möglich, dass wir dankbar auf die kleinen Schritte schauen dürfen. Die meiste Hilfe kommt von Gott, der nur unser Bereitsein mit reicher Gnade füllen möchte.
Die Wunder zählen
Wir blicken dankbar auf die Wunder der letzten Wochen zurück und freuen uns besonders über Mina, die sich täglich deutlich von ihrer Tuberkulose erholt und über Marie-Claude und alle weiteren Helfer, die täglich, auch in unserer Abwesenheit, unsere Patienten versorgen, sodass diese Arbeit sich weiter stabilisieren kann. Schritt für Schritt gehen wir voran und freuen uns, dass sich die Hilfe weiter ausbreiten kann und viele Kinder lebensrettend und zukunftsebnend erreicht.
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