Gestrandete Schwangere – dem Leben zum Leben verhelfen
November 2014
Die Ankunft wurde diesmal groß mit einem Dorffest in Bishnubati gefeiert, da Nico und Silvi dabei waren und ihre Hochzeit im Dorf nachgefeiert werden wollte. Das ganze Dorf war auf dem Gemeindeplatz zusammengekommen, wo es nun eine Theateraufführung von den Schülern gab, sowie auch Musik und Tanz dargeboten wurden. Zuvor wurden die Beiden in traditionelle Hochzeitsgewänder eingekleidet und mit Brautführern zum Dorfplatz gebracht. Es hat uns alle sehr berührt und gleich wieder die enge Herzensbindung zu diesen Menschen spüren lassen.
Kein Wasser, kein Strom und eine geplatzte Fruchtblase
Es schlugen Funken aus der Steckdose und schon wieder war ein Gerät kaputt gegangen. Es wurden 275 V an den Stromleitungen gemessen und bald waren alle Lichter aus. Gerade hatten wir einen Stromstabilisator installiert, jedoch konnten diese hohen Stromspitzen nicht abgefangen werden. Daraufhin wurde der Strom vom Elektrizitätswerk abgeschaltet.
Nach wiederholten Telefonaten bei der Atombehörde in Bombay bekamen wir die richtige Weiterleitung und nach unserem Insistieren wurde versprochen, bald einen Techniker zur Reparatur zu schicken. Tatsächlich kam auch am nächsten Tag der Monteur. Mittlerweile waren auch Wasserpumpe und Wasserfilter defekt (das Schaltwerk durchgeschmort), so dass es kein Wasser mehr gab.
Unsere Patientenfrauen liefen mit großer Begeisterung mit Eimer zur Handpumpe draußen, um sich mit Wasser einzudecken, so auch unsere TB Patientin Mina mit ihrer gerade wieder zusammengewachsenen Wirbelsäule und auch eine Hochschwangere. Am nächsten Tag war ihre Fruchtblase geplatzt und wir wollten sie ins staatliche Krankenhaus verlegen. Da keine Begleitperson dabei war,
um zu unterschreiben und die Verantwortung für sie zu übernehmen, wurde eine Aufnahme verweigert. Also fuhr unser Gesundheitsarbeiter 30km zu ihrem Dorf, um die Mutter herbei zu schaffen, jedoch war diese dort nicht bekannt (ihr Ehemann war vor Monaten verstorben). Also baten wir unseren Priester die Unterschrift zu geben, was er auch bereitwillig tat und auch anerkannt wurde, dann die Aufnahme ermöglichte.
Wir wissen jedoch nicht woher die Schwangere wirklich kommt und wohin sie gehört… Sie ist nun mal bei uns und wir müssen schauen, wie es für sie weitergehen kann. Mittlerweile war auch die Wasserpumpe wieder repariert, was bedeutet, das durch einen offenen Wasserhahn der 1. Stock unter Wasser stand. Alle Patienten schauen zu, ohne etwas zu tun oder uns zu melden. Überschwemmungen gehören ja zum täglichen Leben.
In diesen Turbulenzen versucht unsere deutsche Gast-und Tropenärztin Charlotte unser Personal fortzubilden, Thema u.a.: Mängel/Unverstandenes muss artikuliert werden!!!
Zum Glück hatten wir Nico dabei, der nun die ganze Elektrik mit Sicherung neu plante, die auch rasch für unsere Notaufnahme installiert werden konnte. Leider war auch dort der Monitor sowie das EKG-Gerät durchgebrannt.
Apotheke neu sortiert
Silvi hat mit Geduld und ihrem Durchhaltevermögen das vielfältig angewachsene und aufgetürmte Apothekensortiment ausgeräumt und alles neu entsprechend unserer Medikamentenliste wieder einsortiert und beschriftet. Nun gibt es eine Mindest- und Höchstmenge, woran man die Nachbestellung orientieren kann. Auch ein Lagerbuch wurde eingeführt… Jedoch wissen wir, dass dies alles Zeit braucht, bis es funktioniert.
Zwei gestrandete schwangere Frauen
Es erschien eine hochschwangere Frau in unserer Ambulanz, die erzählte, dass sie von ihrem Mann verstoßen wurde, da sie schwanger sei und er kein Kind wolle. Sie weigerte sich, es abzutreiben. Auch Schwiegereltern und Bruder ließen sie im Stich. Sie saß ausgestoßen auf der Straße und weinte, bis sie eine Frau zu einem Priester brachte, der sie uns dann anvertraute.
Einige Tage später hat sie ein gesundes Kind zur Welt gebracht und hat sich bei uns eingelebt, als sei es ihr Zuhause. Einen Tag später schickte uns der gleiche Priester die nächste Schwangere. Jedoch war diese Situation noch komplizierter, da sie den Vater nicht preisgeben als auch das Kind nicht wollte.
Recherchen in ihrem Dorf brachten nur Ablehnung und ihre Tante erklärte uns, wenn wir sie zurückschicken, bekämen wir nur noch ihre Asche zu sehen. Sie war verzweifelt und dankbar, bei uns aufgenommen zu sein und brachte nach dem Blasensprung ein kleines zartes Mädchen zur Welt. Es wirkte so friedvoll in dieser neuen Welt und unberührt von den Kümmernissen, dass wir es „Angel“ nannten, Engel. Mittlerweile haben wir für Beide eine neue Bleibe gefunden.
Besuch vom deutschen Konsulat
Zur Einweihung der 3 gespendeten Brunnen vom Auswärtigen Amt kam Lena Schwarm zu Besuch und bekam im Santaldorf Bautijol einen wunderschönen Empfang bereitet. Die jungen Mädchen haben in ihrer traditionellen Tracht getanzt und gesungen und Gedichte rezitiert. Dankbar sind sie für die neue Wasserstelle!
Fortbildung dringend nötig
Unsere Tropenärztin aus Deutschland, Charlotte Adamczick, hat alles Personal in Tuberkulose, Notfällen und Hygiene praktisch fortgebildet. Selbst unser indischer Kinderarzt bekam eine private Röntgendemonstration begeisternd vermittelt. Nur unser Laborant verhielt sich äußert resistent gegen Hygieneregeln in seinem Labor, was sich nur mit seiner höheren Kastenzugehörigkeit erklären ließ. Jedoch unser Ambulanzfahrer ist bereit, hier für Sauberkeit zu sorgen.
TB-Patienten
Einige geschwächte Patienten erscheinen in der Ambulanz mit einer Reaktivierung einer alten Tuberkulose, wo wir eine TB-Medikamentenresistente Form vermuten. Dies auszutesten und dann die langwierige Therapie einzufädeln, welche auch sehr teuer ist, wird zunehmend eine Aufgabe. Der zuständige Distrikt TB Officer steht uns zur Seite. Auch finden wir bei den German Doctors hilfreiche Unterstützung.
Neugeborene
Täglich kommen mehr Neugeborene und Säuglinge in die Ambulanz, was uns sehr freut, da wir hier auch präventiv wirken können, um die hohe Sterberate im Alter von 0-2 Monate zu vermindern. Einmal pro Woche findet ein Neugeborenen-Tag in unserem Hospital statt, wo die Mütter in die Pflege, Ernährung und Hygiene der Kinder von unserem Sozialarbeiter eingewiesen werden. Unser ehemaliges Frühchen hat sich bisher ohne Infektion zu einem wohlgenährten Säugling gemausert.
Es blühen wieder viele Gärten
Anne und Rolf Bucher sind nun schon zum 5. Mal bei uns und bringen immer mehr Dorf-Farmer dazu, einen eigenen Küchengarten anzulegen. Sie hatten eine Volontärin, Clara Maria Husemann, an ihrer Seite, die eifrig mit in die Dörfer radelte und zupackte , wo sie konnte. Auch gab es wieder eine reiche Moringa-Ernte für unsere Ernährungsprogramme.
Silvi versuchte in unserer Küche eine Mischung aus Moringa und Amaranth den Rezepturen der Ernährungsprogramme zuzusetzen, die bei der Kostprobe im Dorf mit den Kindern auf Zustimmung stieß…. Zum Glück, denn wir planen für das nächste Jahr, mehrere Dörfer mit diesem Zusatz bei den Ernährungsprogrammen zu versorgen und dabei den Anstieg des Hämoglobins zu beobachten. Bei unserer letzten Messung in einem Dorf lagen die HB-Werte der Kinder (Alter 6-24 Monate) durchschnittlich bei 7-8mg% (Normwert: 12-13mg%).
Dem Leben zum Leben verhelfen dürfen
Abschließend hat sich mir das Bild von den beiden Neugeborenen tief eingeprägt, wie sie sich in der Sonne liegend nach dem Leben ausstrecken und sich wohlfühlen. Dankbar fühle ich Gottes Hilfe, diesem Leben, das leben will, zum Leben verhelfen zu dürfen… als unsere eigentliche Mission. Alle anderen Probleme verblassen dahinter und werden schon auch noch gelöst werden…
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