Mit kleinen Schritten vorwärts

November 2011

Ringdanga Pilotprojekt

Angefangen hat es mit einem Waschhaus und einer Latrine, die sich die Dorfbewohner von Ringdanga wünschten. Das dankten sie mit einem wunderschönen Dorffest und luden uns ein, weiter zu machen und für die mangelernährten Kinder zu sorgen. Zwei Jahre haben wir für die unterernährten Kinder sowie die Schwangeren und die Tuberkulose-Kranken im zentralen Dorfhäuschen gekocht. Als wir das Programm beendeten, gab es wieder ein Fest, und wir wurden abermals zum Weitermachen eingeladen. Dann haben wir unseren Landwirt Srikanta dazugenommen, der gleichzeitig Gemüse, verschiedene Linsensorten, Obst und jetzt auch Weizen und Senf angepflanzt hat. Er hat mit den Dorfmännern einen Farmerclub gegründet, sie in der Bewirtschaftung des Saatgutanbaus unterstützt und ihnen Zugang zu den Regierungsprogrammen verschafft.



Nun wollen wir sie mit diesem Ernteertrag zu einer selbstständigen nahrhaften Essenszubereitung anleiten. Dazu haben wir Getreide und Linsen geschrotet und zu einem leckeren Porridge mit Nüssen, Rosinen und Karotten verarbeitet, das die Familien nun zu Hause kochen können. Erneut gab es ein wunderschönes Abschiedsfest, wobei die weiteren Wünsche gleich angemeldet wurden... Eine Solaranlage für die Abendschule und die Einführung einer neuen effektiveren Reisanbaumethode. Die regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen werden dankbar aufgenommen, und wir finden immer wieder neue Tuberkulosekranke. Die Schwangeren werden bei der Entbindung nicht ausreichend betreut. Zwei Frauen haben jeweils zwei Kinder durch eine verkehrte Lage bei der Geburt verloren. Unsere Gesundheitshelfer bringen nun alle Schwangeren zur Vorsorge ins Krankenhaus oder in unsere Dorfambulanz. - Aliki, unsere Volontärin aus Heilbronn, hat ihre Zirkuskünste auch schon mit viel Begeisterung an die Kinder im Dorf weitergegeben.

Dorf-Präventionsprogramm

Unsere Dorfhelfer haben wir für ein Präventionsprogramm ausgebildet, in dem alle Kindergartenkinder mit Vitaminen, Zink- und im Bedarfsfall mit Eisentabletten und Wurmmittel versorgt werden. Auch werden die Impfpässe geprüft und Impfungen gegebenenfalls vervollständigt. Die mangelernährten Kinder bekommen eine Zusatznahrung. Allen Kindern werden auch die Nägel geschnitten, um Wurminfektionen zu vermeiden. Kinder mit Krätze werden mit Neemblätter-Paste eingerieben und die Würmer mit gemahlenen Papaya-kernen vorbeugend behandelt. Ohrspülungen sind dringend nötig, um die vielen Käfer, Steinchen und Moskitos aus den Gehörgängen zu entfernen.



In drei Dörfern haben wir für unsere Gesundheitshelfer Hausbesuche vorgesehen, wobei eine Beratung in verbesserter Hygiene stattfindet, und die mangelernährten Kinder sowie die TB-Kranken herausgesucht werden. Der erste Besuch war so interessant, wobei die Mutter ihre Nöte erzählte und unsere Helfer gleich die Idee hatten, unser neues Porridge auch in der Hütte dieser Mutter zu kochen. Ein kleiner Gemüsegarten war schon angelegt. Auch unsere Zementsackanpflanzungen waren ein richtiger Renner geworden und auf dem Dach vieler Hütten rankten nun die grünen Gemüsegurken. Wir hatten auch im Krankenhaus unsere Ärztin Pheelima von den Zementsackanpflanzungen überzeugen können, was sie sofort in ihrem Garten ausprobierte und unseren Patienten und Müttern in den Dörfern mitgab. Die Sackanpflanzungen sind besonders für Familien geeignet, die kein Land haben und somit etwas Gemüse für sich anpflanzen können.



Im Dorf landet auf der Untersuchungsliege auch mal eine Ziege statt einem Kind…



Heilpflanzengarten

Sehr glücklich waren wir über den Besuch bei unserem Gentleman nahe Bautijol, der einen großen Heilpflanzengarten anlegen möchte. Er ist ein Unternehmer aus Kalkutta und hat ein Haus am Dorfrand gebaut, und sich bereits bei der Versorgung eines herzkranken Kindes aus dem Dorf sehr hilfreich eingesetzt. Nun kam er zu uns ins Krankenhaus, um am Heilpflanzenseminar für unsere Helfer teilzunehmen, und wir konnten ihm all unsere Pflanzenwünsche in Auftrag geben, die er nun auf seinem Grundstück anpflanzen will.



Entenzucht

Unsere begonnene Entenzucht gedeiht und wir waren fleißig am Rechnen, wie der Nachwuchs verteilt und von neuen Frauengruppen ertragreich weitergeführt werden kann. Dazu wurde ein junger Mann aus dem Dorf extra ausgebildet, um die ersten Symptome der grassierenden Vogelgrippe zu erkennen und rechtzeitig zu schützen. Es ist schwer, die Santals zu einer selbstständig wirtschaftlichen Arbeit anzuregen, da sie nur schwer aus ihrem gewohnten Leben des Reisanbaus herauskommen. Oft ist es ihnen auch nicht wichtig, einen Gewinn zu machen, da sie es nicht gewohnt sind, Geld in der Hand zu haben und lieber die Dorfgemeinschaft genießen. Neue Initiativen für ein Einkommen der jungen Generation gehen nur langsam voran und müssen Schritt für Schritt begleitet werden.



Wieder verhext

In der Schule von R.S.V. wird uns von dem Lehrer Boro ein 6-jähriger Junge vorgestellt, der schon zwei Mal eine Absence (Bewusstseinstrübung) hatte. Boro hat gleich den Vater dazu bestellt, der der Sache auf den Grund ging und die Ursache sicher wusste. Als Santal hat er einem Hindu-Gott geopfert, weshalb der Junge auf seinem Schulweg nach Hause täglich von einem kopflosen Geist verfolgt wurde. Es kam noch schlimmer, dieser Geist erschien auch dem Vater zu Hause und tanzte in der Hütte. Daraufhin ging der Vater zu einem Santal-Guru, der ihm empfahl ein Tier zu opfern und eine Opferfeier (Puja) zur Vertreibung des Geistes abzuhalten. Boro hat uns das Kind vorsichtshalber vorgestellt, und wir wollen es neurologisch abklären.



Wieder unterwegs treffen wir einen Studenten, der vor einem Jahr um finanzielle Hilfe für ein nierenkrankes Kind angefragt hatte. Ich rufe ihm zu, das Kind doch zu uns ins Krankenhaus zu bringen, was er am nächsten Tag macht. Als ich es sehe, bin ich erschrocken. Es hat einen ausgedehnten Ascites, eine Wasseransammlung im Bauch. Es leidet an einem fortgeschrittenen Nierenversagen durch ein nephrotisches Syndrom, und wir können es sogleich nach Kalkutta in ein Spezialkrankenhaus schicken.



Sorgenkind Mansuni

Unser Sorgen- und Patenkind Mansuni haben wir mit hohem Fieber und sehr geschwächt aus Bautijol gleich mit in unser Krankenhaus genommen. Sie hatte tiefe, infizierte Ulcera der Haut am Gesäß und Oberschenkel, da sie ab dem Bauchnabel nach unten gelähmt ist. Die Druckgeschwüre sind durch Muskelatrophie und Sitzen auf einem harten Rollstuhl entstanden. Wir legten sie auf eine Wassermatratze und versorgten die Wunden. Sie hatte eine Anämie mit einem Hb von 6 g%, nach zwei Bluttransfusionen kehrte wieder Vitalität in sie ein.

Sie wollte dann Englisch lernen, hat sich eine große Puppe gewünscht und strahlte uns immer mit ihren großen Augen an. Die Mutter war dankbar bei uns sein zu dürfen, wo wir auch mit der Krankengymnastik beginnen können. Als Mansuni‘s Schwester Renuka zu Besuch kam und erzählte, dass sie ihre Schulprüfung der zehnten Klasse nicht bestanden hat, bot ihr unsere Ärztin Pheelima sofort an, sie zu einer Krankenpflegeausbildung anzumelden. Der Vater, nun alleine zurück im Dorf, betreut unser Ernährungsprogramm dort und bekam von uns eine neue Aufgabe. Er soll mit Hilfe unseres Gesundheitshelfers Satya für die Mütter der mangelernährten Kinder einen Gemüsegarten anlegen.



Aus Bishnubati bekamen wir ein vier Monate altes Kind, das an einer Meningitis erkrankt war und gleich zu uns wollte, da sie uns kannten. Jedoch hat Satya richtig gehandelt und sie erst mal ins entfernt gelegene Unikrankenhaus  geschickt. Nach der Erstversorgung bekamen wir das Kind mit einer Halbseitenlähmung nach Hirnblutung zurück. Wir begannen gleich mit Physiotherapie. Jedoch hat die junge Mutter es nicht lange bei uns ausgehalten und ist lautlos verschwunden, da zu Hause die Ernte anstand und sie dringend gebraucht wurde. Unsere Dorfhelfer wurden gleich zu ihr geschickt und betreuen das Kind weiterhin.



Krankenhausbeginn

Auch sind wir sehr dankbar, dass ein lokaler Kinderarzt regelmäßig zwei Mal pro Woche und bei Notfällen kommt. Er verschreibt zwar jedes Mal starke Antibiotika, jedoch lässt er sich auf unsere Therapievorschläge auch ein und hat Gefallen an unserem Krankenhaus. Begeistert hat er unsere Sehtafel und das Hörtestgerät gleich eingesetzt. Er fragte an, einen Fototherapieplatz für Neugeborene mit Gelbsucht einzurichten, da viele Kinder an Leberunreife leiden und es im weiteren Umkreis keine Therapiemöglichkeit gibt.



Kinder mit Fehlbildungen wie Lippen-Kiefer-Gaumenspalte werden uns auch immer wieder vorgestellt. - Eine treue Santal-Krankenpflegerin will ihren Dienst in unserer Apotheke auch mit ihrem neugeborenen Kind weiter anbieten, um unsere kleinen Patienten mitzuversorgen und hat ihr Kind stets an ihrer Seite.

 

Unser Labor wird so gut wie möglich genützt. Hier wird einem Kind mit rheumatischer Arthritis Blut abgenommen. Die Untersuchungen müssen noch von einem externen Labor gemacht werden. 

Sehr amüsant war das Hygieneseminar für unser Personal im Krankenhaus. Wir kamen mit allen Reinigungslösungen und Seifen, die wir Bolpur auftreiben konnten, auch Handschuhe, und dann wurde geschrubbt. Unsere hauptamtliche Krankenschwester war nicht mehr zu bremsen, so begeistert war sie. Desinfektionslösungen gibt es selbst im Sanitätsgeschäft in Kalkutta nicht. Ein großes Problem ist die Abfallentsorgung, da es keine Müllabfuhr gibt. Nadeln und Ampullen werden getrennt, müssen aber dann geschreddert und vergraben werden. Als wir in der Küche nachfragten, was mit dem Abfall geschieht, haben wir erfahren, dass unsere Köchin den Bioabfall über die Mauer in Nachbars Garten entsorgt. Also wird nun ein Komposthaufen angelegt, der Rest muss im Garten verbrannt werden.



Goethe-Gedicht

Am Schluss besuchten wir einen Fotografen, der bei den Rotariern ist, um ihn für unser Projekt zu erwärmen. Wir wurden zu ihrer Versammlung für einen Vortrag eingeladen und konnten unser Krankenhaus vorstellen, einige kannten es auch schon. Jedoch sollten wir ein deutsches Gedicht aufsagen, um unserem Projekt noch den letzten Schliff zu geben. Goethe hat Hilfe geleistet. Am nächsten Tag kamen zwei Rotarier in unser Krankenhaus zu Besuch. Einer davon ist Gynäkologe und hat gleich seinen Dienst für die Versorgung der Frauen im ersten Stock im nächsten Jahr angeboten. Sie waren sehr angetan und kamen erneut am nächsten Tag, um uns ihre Hilfe konkret anzubieten.



Ausblick

Die vier Wochen waren gut gefüllt, und wir sind dankbar für die neuen Schritte in den Dörfern und schauen zuversichtlich ins neue Jahr, wo wir sicherlich die Lizenz erhalten werden. Die Zusammenarbeit mit Schwester Pheelima ist voller Vertrauen und gegenseitiger Freude. Silvi hat viel von ihren Erfahrungen aus ihrem UNDP Praktikum in Jharkhand und ihrer Masterarbeit schon praktisch umsetzen können. Besonders durch die intensivere Mitarbeit von unseren fünf Gesundheitshelfern wird die Dorfarbeit vertieft und die Patienten finden leichter Zugang zu uns. Der erste Stock wird im Februar 2012 fertig sein, und wir wollen es mit einem kleinen Einweihungsfest feiern.