Die Kinderklinik beginnt

April 2011

Unsere erste kleine Patientin

Am Fest des Heiligen Josef haben wir unsere ersten Kinder stationär aufgenommen. Eines der mangelernährten Kinder, Monisha, entwickelte eine Durchfallserkrankung und wurde rasch sehr schwach, so dass es zu einer Gradwanderung wurde, ob sie durchkommt. Doch hatte sie es nach 12 Stunden Infusionen und Therapie geschafft und unvergesslich, wie sie die ersten angebotenen Löffel mit Milchnahrung annahm und die Augen weit aufmachte, als wollte sie ausdrücken: wie gut schmeckt das! Die weitere Behandlung benötigte viel Geduld, um herauszufinden, was sie überhaupt verdauen kann.

 

Wir haben bei uns eine wunderbare Köchin, Maria, die bei den Mutter Teresa Schwestern gelernt hat, wie die mangelernährten Kinder am besten gefüttert werden können.

Mit Geduld zum Ziel

Der indische Alltag benötigt viel Geduld. Die Pflege der Kinder, die uns so wichtig ist, hat in Indien keine Bedeutung. Unsere Kran-kenschwester sieht ihre Funktion mehr in den Anordnungen an die untergeordneten Pflege-Assistenten und im ärztlichen Tun. Sie ist der festen Meinung, dass Zähneknirschen ein deutliches Diagnostikum sei, dass ein Kind an einer Wurmerkrankung leidet. Phantasie und Wirklichkeitsempfinden sind oft eins. So haben wir noch einen längeren Weg vor uns, um diesen Traum zu verwirklichen, dass die Kinder bei uns eine liebevolle und therapieunterstützende Pflege bekommen sollen.

 

Es wurde immer heißer, auch in der Nacht gab es kaum Abkühlung, so dass wir dringend auf die Deckenventilatoren fürs Kinderkrankenhaus warteten. Als sie dann endlich, nach mehreren Teillieferungen, montiert werden konnten, liefen sie so langsam, dass kaum ein Windhauch herüberkam. Also reklamierten wir einmal wieder, worin wir ja schon Übung hatten, und es stellte sich heraus, dass der Strom neben den üblichen Stromausfällen und -schwankungen nur mit halber Voltzahl zur Verfügung steht. Also gingen wir zum zuständigen Amt und beantragten langwierig mit vielen Formularen eine neue Stromleitung, die nach täglichen wiederholten Anfragen dann auch gelegt wurde.

Gesundheitshelfer sind die Stütze der Zukunft

Wir begannen auch gleich mehrere Gesundheitshelfer aus den umliegenden Dörfern weiterzubilden, die uns die kranken Kinder bringen und in ihren Dörfern Vorsorgeprogramme durchführen sollen. Eine große Freude ist Asha, 15 Jahre und bereits verheiratet. Seit ihrem ersten Lebensjahr ist sie an meiner Seite in Ghosaldanga, da sie die Tochter unserer ersten Gesundheitshelferin ist. Sie war stets dabei wie die Patienten im Dorf versorgt wurden, und wie wir aus Heilpflanzen Medikamente herstellten. Mit 14 Jahren hatte sie sich in einen Studenten verliebt, lief von zuhause weg und heiratete ihn. Dadurch war die familiäre Verbindung unterbrochen, worunter die Eltern sehr litten. Nun tauchte sie bei mir in der Kinderklinik auf und will als Gesundheitshelfer in ihrem neuen Dorf die Kinder versorgen. Sofort hat sie ein an Lungenentzündung erkranktes Kind erkannt und zu uns gebracht, dazu eine Liste mit allen Schwangeren und kleinen Kindern aus ihrem Dorf. So gründlich und selbständig hat bisher kein Helfer gearbeitet.

Mehr Gemüse, Obst und Heilpflanzen

In einem Dorf, wo wir bereits ein Waschhaus mit Latrine gebaut haben, konnten wir ein neues Ernährungsprogramm einführen. Für die Schwangeren und schwer untergewichtigen Kinder wird gekocht. Begleitend unterweist unser Freund Srikanta, Landwirt, die Familien in biologischer Anbauweise. Er verteilt Saatgut für Gemüse, Obst und Heilpflanzen und betreut den Anbau durch monatliche Besuche. Später will er eine Farmergruppe bilden und ihnen die Möglichkeit einer Rente durch staatliche Subvention eröffnen.

Schüler nehmen Bäckerei in die Hand

Unsere Dorfbäckerei haben wir auch wieder ins Leben gerufen. Die Balken und das Dach sind den Termiten zum Opfer gefallen und waren eingestürzt. Wir haben es massiver wiederaufgebaut und wollen nun mit den Schülern vom Hostel und den Lehrern regelmäßig für sie und die Kinder im Ernährungsprogramm backen. Auf dem Frühlingsfest der Santals haben wir wie im letzten Jahr wieder unser nahrhaftes Brot mit Nüssen, Karotten und Datteln verkauft - es ging weg wie warme Semmeln! Gleichzeitig konnten wir den 1000 Besuchern des Festes an unserem Stand gleich über unser neues Kinderkrankenhaus erzählen.

 

Bürokratische Stolpersteine

Ein Abenteuer ist es, die Lizenz für die Klinik zu bekommen. Dazu benötigt man eine Lizenz zur eigenen Abfallbeseitigung, was Verbrennen im Garten heißt. Diese erhält man erst, wenn die Lizenz fürs Krankenhaus da ist und für jedes Bett bezahlt wird und diese wiederum erst, wenn die Abfall-Lizenz vorliegt. Wiederholte Besuche beim Chief Medical Officer versichern uns, dass er uns unterstützen will und die Erlaubnis geben wird. Aber wie?

Auch brauchen wir lokale Kinderärzte, zur Visite, um diese Lizenz zu bekommen. Also habe ich alle Kinderärzte in Bolpur besucht. Einer ist bereit und will auch für eine ´soft medicine´ eintreten, d.h. nicht gleich jede Erkältung mit starken Antibiotika und Analgetika und Säureblockern behandeln. Nach seinen Auskünften sind es die Eltern, die Antibiotika und rasche Heilung einfordern, da sie keinen Einblick in das Krankheitsgeschehen haben und damit sehr ängstlich sind.

Ausblick

Wir wollen unsere Kinderstation noch mehr auf die Bedürfnisse der Santals ausrichten. So wird die Begleitung der Kinder durch unsere Dorfhelfer immer wichtiger, da die Mütter auf dem Feld helfen und für eine große Familie kochen müssen und nicht fehlen dürfen. Nun suchen wir aus einem Dorf mehrere Kinder mit Mangelernährung und Infekten heraus und lassen sie abwechselnd von einer Mutter betreuen. Auch Großväter sind schon mitgekommen, besonders aus den Dörfern, wo wir bereits aktiv sind und das Vertrauen haben.

 

Das Vertrauen zu uns ist ein grundlegendes Bindeglied. Für abgelegene Dörfer ist ein Krankenhaus noch mit sehr viel Angst belegt.

 

Wir wollen ein Vorsorge- und Gesundheitszentrum für Mütter und Kinder einrichten, wo vor allem Unterernährung und daraus folgende Infektionen behandelt werden können. Dazu sind unsere Dorfhelfer nun eine wichtige Stütze und benötigen noch viel Weiterbildung. Dankbar blicken wir auf die letzten Monate zurück, wo wir dafür den Grundstein legen konnten.

 

Die Kinderklinik beginnt.pdf
PDF-Dokument [647.8 KB]