Wie ein heiliger Moment...

Juli 2017

Lebenswendende Tuberkulose-Therapie

Heute kam der 10-jährige Joydeb in unsere Ambulanz und wir konnten ihn kaum wiedererkennen im Vergleich zu damals, als vor einem Jahr schwer erkrankt an Tuberkulose, sein Leben nur noch an einem seidenen Faden hing. Jetzt sitzt ein junger strahlender Knabe vor uns und spricht uns in Englisch an. Sein Großvater ist dankbar und kann sich kaum vor Freude beruhigen, dass sein Enkel nun so gesund und kräftig weiterleben darf.

Er hatte eine Tuberkulose an der Wirbelsäule, an der Lunge und auch verschiedene Lymphknoten im Körper, ebenso das Gehirn war infiziert. Nun staunen auch wir, wie er sich nach einem Jahr konsequenter Therapie erholt hat. Wir hatten den Jungen letztes Jahr zu den German Doktors nach Kalkutta gebracht, wo er sehr gut versorgt wurde, und nun die abschließende Therapie zuhause durchführen kann.

Am gleichen Tag erscheint ein 5-jähriges Mädchen mit einem dicken Bauch und ganz abgemagerten Armen und Beinen, schwach und blass… Auch hier finden wir im weiteren Verlauf eine Bauchtuberkulose vor… Kurz darauf kommt eine Frau, die schwer nach Luft ringt … Auch hier im Röntgenbild eine ausgedehnte Lungen-Verschattung mit Flüssigkeit angefüllt, wo dringend der Verdacht auf eine Tuberkulose besteht.

Anerkennung der Regierung

Am Nachmittag bekommen wir einen Anruf von der staatlichen Tuberkulose-Stelle, ob wir uns nicht zu einem TB-Zentrum registrieren lassen wollten, es würde uns jetzt genehmigt werden. Also ist unsere Betreuung der TB-Patienten nun auch bei den Behörden anerkannt und akzeptiert. 

Schulen - und zum Helfen animieren...

Nachmittags haben wir unsere Dorfhelfer zur wöchentlichen Fortbildung einbestellt und stellen ihnen die Krankengeschichten aus ihren Dörfern von hilflosen, armen Familien mit Fotos vor, was sie aus dieser Perspektive betroffen machte und sofort zum Helfen animierte. Jetzt dürfen sie ihr lang geschultes Wissen im Dorf einsetzten und die schwachen Familien zu einer nachhaltigen Hilfe anleiten…

Das Seminar war ganz lebendig mit vielen Ideen, unser Dorfbauer Nilu war so gerührt, dass er gleich dieser vorgestellten Familie 10 Kilo Reis bringen und einen Gemüsegarten anlegen wollte… Dieses Mitfühlen und helfen wollen ist ein erster Schritt, um gegen die Gleichgültigkeit im Kampf ums eigene Überleben anzugehen… Wir waren sehr froh darüber.

Das ist Armut

Ganz aufgeregt erscheint eine Mutter in unserer Ambulanz, deren Kind in Kalkutta in einem Tuberkulose-Zentrum der German Doctors versorgt wird. Vor 9 Monaten hatten wir das Kind dorthin verlegen können, wo eine ausgedehnte Knochentuberkulose bereits den ganzen Oberschenkelknochen aufgefressen hatte und die lokalen Ärzte an eine Amputation dachten.

Nun hat sich das Kind dort unter der kontinuierlichen Therapie gut erholt und der Knochen regeneriert wieder. Die Mutter blieb die ganze Zeit beim Kind und wollte nur einen kurzen Heimatbesuch machen, fand jedoch den Weg zurück in dieses Krankenhaus nicht mehr. Viel schlimmer, der Ehemann hat sich aus dem Staub gemacht und eine neue Frau geheiratet, ebenso war die Hütte halb verfallen. So quartierten wir erst die Mutter in unser Krankenhaus ein und ein Helfer von uns fuhr mit ihr am nächsten Morgen nach Kalkutta zurück. Wir werden das Haus reparieren, damit sie wieder eine Bleibe hat und helfen, dass sie ihren Unterhalt verdienen kann…. Zwei Tage später erschien der Ehemann, der verzweifelt seine Tochter und Frau wiedersehen möchte, kein Handy zur Kommunikation besitzt und nicht weiß, wie er nach Kalkutta kommt. Von einer zweiten Heirat keine Spur! Wegen einer Arbeitsstelle war er lange außerhalb beschäftigt… Das ist Armut und Hilflosigkeit!

Wie ein heiliger Moment

In unseren besuchten Dörfern, haben wir nun die Ernährungsprogramme durch eine Ernährungs-Fortbildung ersetzt, um Gewohnheiten zu verändern und den Kindern den notwendigen Tagesbedarf zukommen zu lassen. Wir haben dazu interaktive Meetings mit den Eltern und Kindern in den Dörfern veranstaltet, um den Zusammenhang zwischen Mangelernährung, Anämie und Krankheitsanfälligkeit und Schwächung für die nächste Generation aufzuzeigen.

Um den Food Circle (nötiger Tagesbedarf an Nahrung) verständlich zu machen, haben wir sie aufgefordert, von zuhause die Nahrungsmittel mitzubringen, die sie täglich verwenden. Am Abend brachten sie jeweils einen Teller mit Reis- und Linsenkörnern, einer Kartoffel, bei einer Familie mit Sojabällchen, wenige auch mit Moringazweig oder etwas Blattgemüse (Kulekara), nur eine Familie mit Bohnen.

Es war sehr berührend, wie sie achtsam und wertschätzend ihre wenige Habe auf den Teller legten, fast “wie ein heiliger Moment“, wo ich mich beschämt fühlte, über den Mangel zu sprechen. Ich habe sie ermutigt, alles so achtsam einzusetzen und erklärt, welchen Nutzen es hat. So wollen wir durch die morgendlichen Hausbesuche unserer Dorfhelfer und gemeinsamen Kochen herausfinden, was die Ressourcen sind (Gemüsegarten, Finanzen) und dann langsam die Ernährung an die Bedürfnisse der Kinder anpassen, so dass sie dies dann alleine weiterführen können.

Ganz allein gelassen

Am Ende eines Dorfbesuches trat eine junge Frau an uns heran und erzählte, sie habe eine Gebärmutter-Krebserkrankung und hatte schon eine Bluttransfusion. Sie meinte, sie habe niemanden, der sie ins Krankenhaus begleitet und so könne sie keine weitere Behandlung erhalten. Wir nahmen sie bei uns auf und stellten sogleich fest, dass sie eine Anämie mit Hämoglobin von 5g% hatte.

Jedoch mussten wir erst den Ehemann und eine Begleiterin finden, welche im staatlichen Krankenhaus während der Nacht die Patientin betreut, sonst kann die Bluttransfusion nicht erfolgen. Zum Glück mussten wir nicht wieder einen Spender selbst auftreiben. Gleich hatte ich auch bei einem uns befreundetem Gynäkologen einen Termin ausgemacht, um die nötige Operation bald auch einleiten zu können. Ganz alleingelassen war diese arme Frau!

Moringa-Kekse verbreiten sich

Als ich die Morgenmesse bei den Mutter Teresa Schwestern besuchte, verkündeten sie mir anschließend ganz stolz, dass sie nach dem Besuch unseres Moringa-Seminars im April nun die Moringa-Rezepte an alle ihre Konvente weitergegeben hatten. So sind sie die ersten , die diese Chance nutzen, um ihre Kinder nährstoffreicher zu versorgen. Leise und gesegnet arbeiten diese fleißigen Schwestern.

Göttliches Netzwerk

Wie können wir nur die vielen schwerkranken Patienten versorgen und die nötigen Operationen einfädeln bei unserem momentan abgemagerten Krankenhaus-Team, das hat mir Sorgen bereitet.

Wie durch ein Wunder können wir unser 7-monatiges herzkrankes Kind mit einer schweren Herzinsuffizienz durch mehrere Telefonate beim Distrikt Gesundheitsminister am nächsten Tag in eine moderne Herzklinik einweisen, wo man sich sonst lange zuvor registrieren lassen muss und dann warten bis man drankommt.

Ebenso sehr rasch können wir ein Kind mit einem riesen Wasserkopf zur Operation eines Shunts in ein Krankenhaus nach Kalkutta bringen, ebenso unsere junge Frau mit dem Gebärmutter-Krebs, die immer schwächer wird. Ein weiteres Kind mit Neurofibromatose hat mehrere Fibrome in der Halswirbelsäule, wo schon eine Kompression des Rückenmarks erfolgte und sie eine Paraplegie (Lähmung der Beine) zeigt. Nach zwei Tagen bekommen wir einen Operationstermin in einer neurochirurgischen Klinik...

Transport und Einwilligung der Patientenangehörigen sind auch immer eine Herausforderung, und wir müssen von uns eine Begleitung mitgeben, da die Angehörigen sich in einem Krankenhaus, bzw. in einer Großstadt wie Kalkutta nicht zurechtfinden und aus Angst oft verstört davonlaufen.

Von Sterben keine Spur

Sunduri, unsere bereits bejährte Patientin mit einem Zungentumor hatte eine OP in Kalkutta bekommen und hat die anschließende Chemotherapie nicht vertragen. Wir sollten sie zum Sterben abholen und zurück ins Dorf zur Familie bringen. Nun besuchte ich ihre Hütte bei einer Dorf-Sprechstunde und fand sie ruhend auf einer Holzliege vor, wo sie sogleich aufstand und umherlief und mit uns sprach vor Freude… Wir konnten es kaum glauben… Von Sterben keine Spur….

Schlangenhüter...

In der Ambulanz erscheint ein verschmitzt lachendes Kind. Es kichert vor sich hin, obwohl es eine schmerzhafte Ohrentzündung hat, wie seine Mutter erklärt. Weiter erzählt sie, dass ihr Sohn beim Nachbarn täglich mit dessen Schlangen spielt, die von ihren Giftzähnen befreit sind. Diese Tradition des Schlangenhüters hat der Nachbar von seinen Vorfahren übernommen. Als homöopathisches Mittel für die Ohrentzündung hatte ich dann Lachesis eingesetzt - welches aus dem Gift der Buschmeisterschlange gewonnen wird. Bei der Nachuntersuchung war das Trommelfell wieder ganz abgeheilt….

... ein trauriges Ende

Leider geht die Schlangengeschichte weiter mit einem traurigen Ende. Während unseres Aufklärungs-Programmes im Dorf, wo Frauen und Kinder, sowie auch die Männer interessiert dem Thema gesunde Ernährung zuhörten, rief ein Vater seiner Tochter zu, sie solle ein Tuch aus der Hütte holen. Das Kind springt rasch in die Hütte, welche ohne Fenster und Licht ist und greift nach dem Tuch, worin jedoch eine Schlange lag, die sofort zubiss. n.

Sogleich brachte der Vater das Kind ins Krankenhaus, wo es auch ein Antiserum erhielt, jedoch ist es nach einer Stunde an dem Neurotoxin verstorben. Das hat uns alle sehr berührt und traurig gestimmt, wie rasch und unschuldig so ein Kinderleben beendet wird…… Gleich haben wir auch bei unserer Mina, die gerade mit ihren Kindern bei uns im Krankenhaus ist, ihre Hütte nebenan durchsucht und auch Schlangen gefunden. Die Visite an ihrem Krankenbett beschäftigte sich dann ausschließlich mit der Haushaltung zur Schlangenvermeidung, also kein Essen offen zu lagern und keine Strohteile im Haus zu haben, wo Ratten und Frösche sich tummeln und den Schlangen als Nahrung dienen. Jayanta, unser Koordinator, fühlte sich berufen, diese Schlangen auszutreiben.

Hilfe von indischen Ärzten

Unerwartet bekamen wir Hilfe von zwei Spezialisten. Ein chirurgischer Orthopäde will unsere Arbeit für die Armen unterstützen und komm einmal im Monat kostenfrei zur Sprechstunde und verspricht auch die nötigen Operationen wenn möglich durchzuführen. Ein Kinderkardiologe wurde auf uns aufmerksam, nachdem wir so viele Herzkinder in sein Herzzentrum schicken und will ebenso einmal im Monat unsere herzkranken Kinder kostenfrei untersuchen….

 

 

So tun sich immer neue Türen auf, gerade wenn wir nicht damit rechnen und dürfen uns ganz von Gottes Hand führen lassen, der weiß, was Seine Kinder brauchen… Wir müssen nur mitmachen…. Was uns alle sehr erfüllt!!

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