Immer neue Überraschungen... - und unser Moringa-Seminar

April 2017

Unerkannter Hunger

In unserer Sprechstunde erschien eine Mutter mit einem 10-monatigem mangelernährten Säugling. Auf die Frage unseres indischen Kinderarztes, was es an Zusatzessen bekomme, antwortete die Mutter, es würde außer Muttermilch nichts annehmen und Zusatznahrung (Reis) verweigern. Also ließen wir aus unserer Küche einen Getreidebrei holen und fütterten das Kind, das ganz gierig aß und deutlich uns seinen Hunger zeigte. Die Mutter schaute ganz erstaunt und fing dann selbst an, ihr Kind zu füttern. Das Stillen ist sehr verbreitet, jedoch sind die Mütter recht hilflos, was und wie sie zufüttern können…. Da ist ein großer Beratungsbedarf.

Ein Schlangenbiss...?

In unserer Ambulanz erscheint ein 8-jähriger Junge mit einer Bisswunde am Finger und starker Schwellung. In der Nacht habe sich das Kind diese Wunde plötzlich zugezogen, und entsprechend der 3 blutenden Einstichstellen nebeneinander, können wir rätseln, ob es eine Schlange oder eine Ratte war, die wohl hier zugebissen hat. Sicherheitshalber schicken wir es nach der primären Wundversorgung ins Regierungskrankenhaus, um ein Antiserum verabreicht zu bekommen.

Bye Bye

Man muss auf immer neue Überraschungen gefasst sein. Am Abschlussabend unseres Seminares bekam ich von unserem Mitarbeiter, der seit Jahren unsere Patienten auswärts zur Diagnostik und Therapie in Krankenhäusern betreut eine Mail zugesandt: bye bye ,from tomorrow I will not come anymore“ - "Tschüß, ab morgen werde ich nicht mehr kommen..." - ohne weitere Erklärungen. Dabei hätte er am nächsten Tag eine Krebspatientin in Kalkutta aus dem Krankenhaus abholen, zur Chemotherapie weiterleiten und dann nach Hause zu uns bringen sollen... Alles vergessen… So mussten wir ohne Befunde, die alle in seiner Hand waren diese Verlegung durch einen neuen Sozialarbeiter organisieren, der sich in den Krankenhäusern nicht auskannte… Jedoch hatte alles gut geklappt. Zwei Tage später rief mich der Verschollene morgens um 8 Uhr an, er müsse gleich zu mir kommen und tat als sei nichts geschehen. Seine Familie hatte ihm zugesetzt, weiterzuarbeiten, da sie sonst ohne Einkommen sei…. Die Erklärung blieb er mir schuldig…

Moringa-Seminar

Am 3. und 4. April hatten wir, lange vorbereitet, in unserem Krankenhaus einen internationalen Workshop ausgerichtet und dazu von der Uni Hohenheim, die mitbetreuende Professorin der Doktorarbeiten von Silvi und Caro eingeladen. Wir gaben unsere Erfahrungen aus unseren Ernährungsprogrammen zur Bekämpfung der Mangelernährung und Anämien mit Moringa und Amaranth als Mikronährstoffe bekannt.

Es folgten gute Vorträge über die Bedeutung der Ernährung und der Sinneserfahrungen für die Schwangeren und Kinder in den ersten 3 Jahren und die Langzeitfolgen für spätere Erkrankungen bei Mangelernährung und mangelnden Schutz der Schwangerschaft.

 

Es kamen der deutsche Konsul vom Auswärtigen Amt, NGOs, die sich mit Gesundheitsprogrammen beschäftigen...

... als auch von Regierungsseite zuständige Funktionäre, welche die staatlichen Ernährungszentren leiten. Auch Fernsehen und Tagespresse waren zugegegen. Wir hatten alles schön vorbereitet mit bildreichen Postern und Analysen von unseren Kinderspeisungen. Damit wollten wir die wissenschaftlichen Erkenntnisse mit den praktischen Erfahrungen vernetzten...

Wer wohl kommen wird...?

Die Tage zuvor waren voller Spannung, da wir bis zuletzt nicht wussten, wer der geladenen Gäste kommt, außer dem deutschen Konsul. Auf E-Mails gab es selten Antworten, auf Anrufe kam ein : "I will try…" - "Ich versuch's einzurichten..." - auf persönliche Besuche und Einladungen: I will try my best…. - "Auf jeden Fall will ich versuchen es einzurichten...." - eindeutigen Zusagen also Fehlanzeige.

Wir mussten auch das Essen bestellen und die Personenzahl abschätzen, ebenso die Bestuhlung, da es ja einen offiziellen Charakter hatte. Wir wollten alles in einem Zelt am Vorplatz unseres Krankenhauses ausführen. Jedoch stieg die Temperatur 2 Tage zuvor auf 41 Grad an, so dass wir schnell umdisponieren mussten. Unser Speiseraum für die Volontäre wurde geräumt und mit Klimaanlage bestückt…

Nun hofften wir, dass nicht mehr als 60 Leute kämen. Jedoch hatten wir 97 Gäste eingeladen. Also mussten wir an der Veranda, dem Zugang zum Seminarraum einen Bildschirm mit Übertragung installieren, was auch eine Herausforderung war. Der bestellte Organisator sagte stets : "no problem", jedoch ohne das nötige Zubehör zu besitzen. Also haben wir in den letzen Abendstunden vor dem Seminar die Zusatzkabel und Anschlüsse selbst besorgt, so dass es wirklich am Morgen dann fertig installiert und funktionsfertig war. Die Spannung stieg, wer wohl alles kommt…?

Es waren gerade so viele, wie der Raum Menschen fassen kann. Das Seminar verlief sehr lebendig, mit viel Interesse unserer Gäste und Mitarbeit in den Arbeitsgruppen am Schluss. Es kam, wie wir es uns gewünscht hatten, ein Netzwerk zustande. Die Regierungsbeamten kamen zu den passenden Vorträgen und wollen mit uns zusammenarbeiten, damit wir unsere Erkenntnisse mit Gemüsegärten, Moringa und Amaranth in den Kindergärten und Schulküchen weitergeben können.

Gleich am nächsten Tag kamen die Anfragen nach einer Mitarbeit in den Regierungsprogrammen und den Dorf-Gesundheitsprogrammen der Universität in der Umgebung Bolpurs. Unsere gehaltvollen Moringakekse sollen als erstes eingeführt werden. Das ist ein schöner Erfolg, so können wir unsere Erfahrungen multiplizieren und unsere Hilfe einem größerem Kreis von mangelernährten Kindern zukommen lassen. Unsere Sozialarbeiter und Dorfhelfer haben auch ihre Erfahrungen im Seminar mitgeteilt und dadurch viel neue Motivation erhalten…. Langsam hat sich die Aufregung in Erleichterung und Freude nach dem Seminar verwandelt.

Vertrauensband ins Dorf hinein

In unserer Ambulanz kam ein Vater mit seinem geschwächten 2-jährigen Kind im Arm. Wir haben gleich das Hämoglobin gemessen und es war auf 2,4 g% sehr niedrig gesunken. Sofort legten wir eine Infusion und verlegten das Kind ins Regierungskrankenhaus zur Bluttransfusion. Am nächsten Tag machten wir einen Hausbesuch im Dorf bei dieser Familie und sahen, dass die Mutter behindert war und ihre Kinder nicht ausreichend versorgen konnte.

Gleich gab es einen Auflauf der Nachbarn und wir nutzten die Situation, um eine Fortbildung über Anämie mit Postern zur Demonstration abzuhalten. Am nächsten Tag erschienen gleich einige der Nachbarskinder zur Blutkontrolle, die ebenso schwach und blass aussahen…. Die Dorfbesuche sind eine gute Gelegenheit mit den Dorfbewohnern inniger in Kontakt zu kommen und eine Brücke des Vertrauens aufzubauen, die dann doch genutzt wird, um Hilfe bei uns anzufragen.

Eine zweite Heimat

Mina, unsere Sorgenpatientin von einst mit ihrer Tuberkulose, wurde bewusstlos in unser Krankenhaus gebracht, ihre beiden Kinder am Rockzipfel weinend. Sie hatte mehrmals erbrochen und war sogleich exsikiert. Nach einer Infusion hat sie sich langsam wieder erholt und blieb mit ihren Kindern noch mehrere Tage zum Erholen und Aufpäppeln. Mittlerweile ist unser Krankenhaus ihre zweite Heimat geworden, wo sie sich geborgen fühlt.

Volontäre bilden aus

Dieses Mal hatten wir Unterstützung durch eine deutsche Kinderkrankenschwester Bettina, die unser Personal in Krankheitslehre und Hygiene anlernte. Dazu kam dann eine Ernährungsmedizinerin, welche besonders für die Schulung der Mütter mit der Zusatzkost stark sich einsetzte. Ganz dankbar und freudig haben wir wieder unseren griechischen Kinderarzt Iannis aufgenommen, der uns allen so sehr ans Herz gewachsen ist.

Höflichkeitsformel der indischen Kultur...

Ja, der indische Alltag bleibt eine Herausforderung. Von den meisten Mitarbeitern und Geschäftspartnern bekomme ich schöne Geschichten erzählt, sehr ausmalend, die nur sehr selten stimmen, und dazu dienen, mich zufrieden zu stellen, jedoch meist nichts mit der Realität zu tun haben……. Diese muss ich mir selbst zusammenreimen….

Das ist die Höflichkeitsformel der indischen Kultur. Es sind die vielen glücklichen Kinderaugen, die uns immer wieder anstrahlen und die Mütter, die ihr Vertrauen und Hoffnung in uns legen, was unsere Herzen erfüllt und es leicht macht, unsere Liebe ihnen zu schenken…. Und unsere Herzen und Arme zur Verfügung zu stellen, durch die dann Gott wirken kann.