Einweihung des ersten Stockes unserer Kinderklinik

März 2012

Lizenz - zum Greifen nah.?

Bei unserer Ankunft in Indien bemühten wir uns gleich wieder um die Lizenz für unser Kinderkrankenhaus. Der zuständige Amtsarzt versicherte uns, sie uns noch vor unserer Abreise übergeben zu wollen. Wöchentliche Besuche bei ihm halfen für eine gute Verständigung, jedoch wurden noch weitere Papiere angefordert. Beim letzten Besuchstermin entschuldigte er sich, seine Familie habe ein 3-tägiges Fest gehabt, wo er teilnahm und daher keiner Arbeit nachgehen und Genehmigung ausstellen konnte. Aber in 2 Wochen hätten wir sie sicher!?

Unsere Krankenhausarbeit ist noch ganz in den Anfängen. Laborantin und Köchin waren davongelaufen, wohl durch den rauhen Kurs unserer Haupt-Krankenschwester, was auch viele Patienten verschreckt hatte, nachdem sie von ihr auch unerlaubt zur Kasse gebeten wurden. Also mussten erst mal die Scherben beseitigt und in den Dörfern wieder Vertrauen in unser Krankenhaus gewonnen und Rückzahlungen vorgenommen werden. Neue Dörfer fragten um unsere Dienste an und so füllte sich das Hospital langsam wieder mit Kindern, die an Durchfall, Lungenentzündung, Asthma, Typhus und schweren Hautinfektionen erkrankt waren. Ein Kind mit multiplen  Hautverdickungen erwies sich als Lepra-Manifestation. Ein Freund bat uns, eine Mutter mit einem elf Tage altem Kind aufzunehmen, die an beiden Beinen schwerste, infizierte Verbrennungen hatte und im Regierungskrankenhaus nicht verbunden wurde. Nach geduldigem Säubern von Eiter, Dreck und Abtragen der Nekrosen heilten die Wunden, die Mutter wurde wieder mobil und wir legten sie auf die Terrasse, wo sie umgeben von Kindern und singenden Vögeln wieder aufblühte.



Unsere liebe Pheeli

Sr. Pheelima hat unermüdlich die Handwerker organisiert und eine schöne Kapelle im ersten Stock eingerichtet, so dass die Einweihung dort für die Mütterstation mit späterer Entbindungsmöglichkeit stattfinden konnte. Auch sind zwei Gästezimmer für Volontär-Ärzte und -Krankenschwestern fertig eingerichtet. Der Priester hat in seiner Einweihungsmesse das Evangelium vom gelähmten Kranken gepredigt, der von vier Trägern durch das Dach des Hauses zu Jesus gebracht wird, und diese Träger mit unseren Gebeten verglichen, in welchen wir unsere Patienten zu Christus tragen. Zur Freude gesellte sich zugleich die Trauer, nachdem die Provinzialschwester uns mitteilte, dass unsere Ärztin Sr. Pheelima versetzt wird, mit der wir alles gemeinsam aufgebaut haben und einen Sinnes sind. Kaum vorzustellen, wie es ohne sie weiter gehen soll!!



Brücke ins Dorf – unsere Gesundheitshelfer

Erfreulicherweise konnten wir elf Gesundheitshelfer in wöchentlichen Fortbildungen gut weiterbilden, dass sie in ihren Dörfern Hausbesuche durchführen und uns die Tuberkulose-Verdächtigen, mangelernährten Kinder und Schwangeren bringen. Besonders in den TB-Familien wollen wir den Kindern eine präventive Therapie ermöglichen, damit sie nicht selbst 2-3 Jahre später an TB erkranken, was wir häufig in den Dörfern erleben. Alle Untersuchungsmethoden müssen praktisch eingeübt werden, zum Beispiel Oberarmumfang messen.

In Bolpur haben wir Kontakt zu den Rotariern geknüpft, die uns ein Ambulanzauto mit Diagnostik-Geräten für die Dorfbesuche zur Verfügung stellen wollen. Der werdende Präsident ist ein Gynäkologe, der spontan zugesagt hat, bei uns mitarbeiten zu wollen, sobald die Frauenstation fertiggestellt ist. Schon jetzt haben wir einen Arzt gefunden, der ab sofort die Schwangerenvorsorge wöchentlich durchführen möchte. Er war ganz begeistert von unserer Ausstattung und will ebenfalls bei den Geburten mitarbeiten. Für die mangelernährten Kinder haben wir einen Essensplan mit fünf reichhaltigen Mahlzeiten aufgestellt, inklusive eines ausgepressten Fruchtsaftes.

Gemüsegärten auf Rezept

In den Dörfern haben wir unsere Ernährungsprogramme umgestellt. Jetzt kochen die Mütter der mangelernährten Kinder selbst drei Mal die Woche und bekommen gleichzeitig Saatgut, um Gemüse am Haus anzupflanzen – wer keinen Garten hat kann sich mit den bewährten Zementsäcken behelfen. Die Kinder bekommen eine spielerische Anleitung zum gründlichen Einseifen und Waschen und weiterer Hygiene. Wir haben auch neue Waschhäuser und Toiletten im Bau, so dass die Ursachen der schwer verlaufenden Infektionen besser beseitigt werden können. Ursprünglich hatten wir geplant, Getreide und Kichererbsenmehl in die Familien zu verteilen, jedoch bestand keine Aussicht, dass es bei den mangelernährten Kindern ankommt. Besonders bei den schwächsten Familien ist eine persönliche Anleitung notwendig.

Neue Dörfer: Nildanga und Thantbuni

Wir wurden in weitere Dörfer eingeladen. In einem abendlichen Dorffest mit Musik wurden die ganzen Erwartungen an uns herangetragen. Wir konnten einen Gesundheitshelfer ausbilden und viele Kinder untersuchen, einige davon in unser Krankenhaus aufnehmen: Kinder mit Tuberkulose, mit Herzfehler, Minderwuchs, Hepatitis und schweren Augenerkrankungen. Wir sind dabei, unser Netzwerk mit Ärzten und Krankenhäusern auszubauen.

Es ist immer wieder ein Neubeginn in ein weiteres Dorf zu kommen, wo gerade vier Jugendliche eine Schulbildung haben und keinerlei Bewusstsein für Krankheit und Hygiene vorzufinden ist. In Thantbuni blühte gerade eine Rose - bald sollen dort Gemüse und Obstbäume wachsen. Ein 14-jähriges Mädchen, das an einem Gehirntumor bereits operiert wurde, spricht englisch und ist die einzige vermittelnde Person zwischen uns und den Dorfbewohnern.

Aufklärungsseminar

Mit unseren Hostel-Schülern haben wir ein Aufklärungsseminar gemacht, da wir immer wieder feststellen, dass keinerlei Wissen über den eigenen Körper und sexuelle Reife vorhanden ist, bis hin, dass die Erstgebärenden nicht wissen, wo das Kind raus kommt. In einem Dorf haben wir erlebt, wie ein Kind verstarb, weil die Mutter nicht wusste, dass es nach der Geburt abgenabelt werden muss und hilflos allein gelassen war.



Unsere Freiwillige Aliki hat sich wunderbar eingelebt und mit den Kindern Zirkusakrobatik einstudiert, Englisch unterrichtet, im Krankenhaus mit den Kindern gespielt und das englische Alphabet eingeübt. Für sie war es auch eine wertvolle Erfahrung für ihren weiteren Lebensweg. Sie möchte sich nun für ein Medizinstudium bewerben.

Regierungsprogramme unerreichbar?

Silvi hatte ihre Masterarbeit in Indien geschrieben und sich mit der Einkommenssituation der jungen Generation beschäftigt und dabei wertvolle Erfahrungen gemacht, wie die Regierungsprogramme in den Dörfern funktionieren. Dies wollen wir nun zur weiteren Hilfe der jungen Menschen einsetzen, dass sie nicht in die Großstädte abwandern müssen. Dabei besuchte uns der bekannte Entwicklungsökonom Jean Drèze und verbrachte einen Tag mit uns. Auf seine Nachfrage stellte sich heraus, dass nur sehr wenige in den Genuss der Regierungsvorzüge wie BPL-Card gelangen (Zugang zu subventionierten Lebensmitteln, Gesundheitsversicherung etc.), da sie die lokalen Politiker unterstützen müssen, was nicht immer sehr ungefährlich ist. Wir haben nun einen Landwirt an unserer Seite, der die Anpflanzprogramme in unseren Dörfern betreut und die Farmer an die Regierungsprogramme direkt heranführt.

Neue Wege

Bei unseren Sponsorenkindern hat sich herausgestellt, dass sie das Geld fleißig sparen, was die Kinder nicht gesünder macht. Nun haben wir einen Dorfladen mit Lebensmitteln bestückt, wo die Eltern der Patenkinder feste Mengen an Gemüse, Eiern, Weizen, Linsen und Soya zu bestimmten Zeiten einkaufen sollen. So hat auch ein Dorfbewohner wieder eine neue Einkommensquelle. Alle Schritte zur Entwicklung müssen begleitet werden.

 

Ein junger Dorfbauer musste sein Land abgeben, da die Bahnlinie durchgebaut werden soll. Auf dem restlich verbleibenden Land wollen wir nun eine Drumstick-Plantage aufbauen, deren Blätter wir zu einem Konzentrat verarbeiten wollen und als Nahrungsergänzungsmittel mit Mineralien für unsere Ernährungsprogramme einführen. So hat wieder einer eine neue Beschäftigung und muss das Dorf nicht verlassen.

Heilpflanzengarten

Große Unterstützung erfahren wir von einem Unternehmer aus Kalkutta, der sich auf einem Grundstück neben dem Dorf Bautijol niedergelassen hat. Er stellt einen Teil seines Gartens zu Verfügung, wo wir nun Heilpflanzen anbauen, welche von den Dorfbewohnern verarbeitet und in einer Dorfapotheke weitergegeben werden können. Er hat auch eine Abendschule für die Dorfkinder eingerichtet, wo auch unser Sorgenkind Mansumi hindarf, die gelähmt in einem Rollstuhl sitzt. Wir hatten sie bei uns im Krankenhaus mit schwerer Anämie und tiefen Hautgeschwüren. Zur Entlassung hatten wir ihr eine Wassermatratze und ein Sitzkissen besorgt, so dass die Geschwüre gut abheilen konnten. Auch Molton-Windeln haben wir ihr gebracht, um neue Geschwüre zu verhindern. Sie hatte sich eine Puppe gewünscht, neben der sie nun Abend für Abend glücklich einschläft.

Sanjoy, ein Waisenjunge mit Bauchtuberkulose, fanden wir vor einem Jahr ausgezehrt in Bishnubati vor. Nach einem Jahr Therapie bei den Mutter Theresa Schwestern hat er jetzt gut zugenommen und ist gesund. Wir konnten ihm eine Ausbildung als Schreiner vermitteln.



Ausblick

Insgesamt ist unsere Dorfarbeit umfangreicher und intensiver geworden. Die Ernährungsprogramme werden vermehrt angefragt. Der Aufbau im Krankenhaus steht noch ganz in den Anfängen. Das Nichtverstehen der indischen administrativen Vorgänge kommt bei uns in die „kulturelle Lücke“, und wir richten unseren Blick ganz auf die Kinder, denen wir jeden Tag in die Augen schauen und greifbar helfen können. Unser Vertrauen auf Gottes Hilfe lässt uns Schritt für Schritt weitergehen.