Ein Wunsch wird wahr – die Armen kommen zu uns!

November 2012

Oktober und November stehen ganz unter dem turbulenten Treiben der vielen verschiedenen Puja-Feste. Dann steht das geschäftliche Leben still. Alle Ämter sind geschlossen. Girlanden und Lichterketten winden sich um die Häuser und viel Tanz und Musik auf den Straßen beherrschen das Stadtbild. Keiner geht zur Arbeit und auch nicht zum Doktor. Diese sind ebenfalls auf Puja-Reisen. Auch mein Gesundheitshelfer Satya musste unbedingt mit seiner Familie in den Urlaub fahren. Das Krankenhaus war wie leergefegt, als ob es keine kranken Menschen mehr gäbe.

 

Verstärkung aus Deutschland

Unsere Vakanz hat unser Landwirt Srikanta sofort erkannt und uns spontan jeden Tag für ein neues Dorf zur Versorgung der Kranken gebucht. In den ersten beiden Wochen hatte ich dabei tatkräftige Verstärkung durch unser Shining Eyes Mitglied Dr. Waltraud Merkle, die als Allgemeinärztin reichlich Patienten vorgeführt bekam. In den Dörfern hatte Srikanta alles wunderbar organisiert und die schwer Kranken schon vorab einbestellt. Waltraud bekam alle Erwachsenen und ich die Kinder zum Untersuchen. Wir suchten besonders die Tuberkulose-Verdächtigen und mangelernährte Kinder heraus. So haben wir unser Kinderkrankenhaus rasch wieder mit Patienten füllen können.

 

Mit Hindernissen zur Tuberkulose-Therapie

Unsere Studenten aus Santiniketan vom Institut für ländliche Entwicklung haben uns ganz wertvoll unterstützt. Sie hatten in den Dörfern Hausbesuche mit Fragebögen durchgeführt und konnten in einem Dorf gleich 30 verdächtige Tuberkulose-Patienten ausfindig machen. Jedoch gestaltet sich die Diagnostik als außerordentlich schwierig. Die Patienten kommen nicht in die Stadt und sind durch die Feldarbeit zu sehr beschäftigt. Manchmal fehlt ihnen das Busgeld oder sie fühlen sich nicht krank genug. Wir müssen ihnen regelrecht hinterherlaufen, um sie zu einer notwendigen Therapie zu bringen und die übrigen Familienmitglieder vor einer Ansteckung zu schützen. Für die kleinen Kinder gilt es dringend eine präventive Therapie einzuleiten, um eine spätere Erkrankung zu vermeiden.

 

Satya sammelt jetzt alle uns Tuberkulose-Verdächtigen an einem Tag ein und fährt sie zum Röntgen, dann weiter ins Labor zur Sputum-Untersuchung und, wenn nötig, ebenfalls zur Biopsie. Wir bringen die Patienten wieder zurück und holen selbst die Befunde ab und besprechen das Ergebnis mit unseren Dorfhelfern, die dann die Patienten wieder holen, um sie mit Medikamenten zu versorgen. Nun planen wir einen kleinen Anbau ans Krankenhaus mit Einrichtung eines Röntgen- und Ultraschallgerätes. Damit können die Patienten bei uns diagnostiziert werden und müssen nicht aufwendig mit dem Auto in der Stadt herumgefahren werden, bis eine Therapie eingeleitet werden kann.

Mit Studenten in neue Dörfer

Unsere beiden Studenten Kallol und Giranjib sind so begeistert von unserer Arbeit, dass sie uns gleich in weitere Dörfer geführt haben, um auch dort Kinder und Kranke zu untersuchen. Wir tauchen dabei in immer ärmere Gebiete ein und brauchen dringend eine mobile Ambulanz um so viele Patienten wie möglich direkt vor Ort versorgen zu können.

 

In Patharkata nehmen die Eltern ihre Kinder aus der Schule und schicken sie in die Ziegelei, wo sie schwere Steine tragen müssen. Damit können sie das Überleben der Familie sichern. Die Dorfbewohner fassten auch gleich Vertrauen zu uns und nahmen am nächsten Morgen den langen Weg ins Krankenhaus mit dem Fahrrad auf sich. Ein Mann mit einem dicken Schilddrüsenknoten und zwei mit Verdacht auf Lymphknoten-Tuberkulose saßen an diesem Vormittag in unserer Ambulanz und schauten uns erwartungsvoll an. Erst mal mussten wir ihren Hunger stillen, was unsere besorgte Schwester Lissy sehr gern tat. Dann fuhr Satya die Patienten mit unserem Auto zum Diagnostik-Zentrum und begleitete alle Schritte, damit die Patienten nicht unterwegs wieder verloren gehen.

 

Auch wurden uns einige schwer mangelernährte Kinder aus diesem Dorf zum Aufpäppeln ins Krankenhaus gebracht. Wir haben gleich ein Seminar für die Mütter der untergewichtigen Kinder veranstaltet, wobei diese gemeinsam mit unserer Köchin Ashrita fünf nahrhafte Mahlzeiten am Tag zubereiten und über gesundes Essen sowie über die Folgen der Mangelerkrankungen aufgeklärt werden. Zur Entlassung bekommen die Mütter Saatgut für einen eigenen Gemüsegarten.

 

Patientengeschichten aus unserem Kinderkrankenhaus

Unsere Kinder im Krankenhaus wachsen uns sehr ans Herz. Shatti, ein 14-jähriges Kind mit Epilepsie, war schon zwei Wochen bei uns ohne, dass die Eltern sich meldeten. Wir ließen den Vater holen und erfuhren, dass er Lehrer an einer Schule mit Leitungsfunktion ist. Wir überzeugten ihn, eine zusätzliche Klasse für seine Tochter einzurichten, wo entwicklungsverzögerte Kinder einen Spezialunterricht bekommen. Er war über diese Idee sehr begeistert und besprach sie sogleich mit jedem im Krankenhaus und versprach, dies einzurichten.

 

Einem schwer mangelernährten Kind mit Kwashiokor und Leistenbruch konnten wir die Operation ermöglichen. Einem herzkranken Kind mit Sauerstoffnot haben wir ebenfalls die finanzielle Unterstützung ermöglicht, um die notwendige Operation in Kalkutta durchführen zu können. Dazu haben wir einen Begleiter mitgeschickt, der half, alle Formalitäten vor Ort zu regeln, da die Familie in Kalkutta alleine verloren gegangen wäre.

 

Wir hatten auch einen jungen Mann bei uns stationär aufgenommen mit einem ausgedehnten Abszess über Ober-und Unterschenkel. Dieser heilte trotz täglichem Verbandswechsel nicht ab. Die Biopsie brachte dann eine Tuberkulose-Infektion an den Tag. Wir schickten ihn ins Regierungskrankenhaus, um vom staatlichen TB-Programm die Medikamente zu bekommen. Jedoch wurde er ohne Therapie zurückgeschickt, da sein Wohnsitz nicht in diesem TB-Distrikt liegt. Wir fingen sogleich im Krankenhaus die Therapie an. Für ihn wäre es nicht möglich gewesen, diese Untersuchung zu bezahlen. Somit wäre er auch unerkannt und als reiche Infektionsquelle für seine ganze Familie geblieben.

 

In unserem Krankenhaus haben wir mit unserer neuen Schwester Lissy eine gute Unterstützung. Sie versteht ganz unser Anliegen, ein Vorsorgezentrum einzurichten, und bemüht sich, alle neuen Schritte gut zu unterstützen. Im Augenblick haben wir zwei Kinderärzte und einen Familienarzt, die ein Mal pro Woche zu uns ins Krankenhaus kommen. Ein Kinderarzt wird sehr von uns umworben in der Hoffnung, dass er nächstes Jahr ganz zu uns stoßen wird. Er versteht auch unser Anliegen, den Armen in den Dörfern einen Zugang zu einer guten medizinischen Versorgung zu ermöglichen.

 

Der Wunderbaum Moringa

Eine große Bereicherung ist der Besuch der Gärtnerfamilie Anne und Rolf Bucher, die sich sofort in das Moringa-Projekt gestürzt haben und alle Bäume in den umliegenden Dörfern abgeerntet haben. Moringa olifera ist ein besonderer indischer Baum, dessen Blätter viele Mineralien, 19 Aminosäuren und wichtige Vitamine enthalten. Die Moringa-Blätter wurden gewaschen, getrocknet und zu Pulverkonzentrat verarbeitet. 

 

Wir haben es gleich auch in unseren Ernährungsprogrammen an die Kinder weitergegeben, die es gut aufgenommen haben. So können wir in Zukunft ihren Mikronährstoffbedarf damit decken. Auch die selbstgebackenen Moringa-Kekse mit Sesam und Datteln aus unserer Dorfbäckerei sind schmackhaft und kamen gut bei den Kindern an. Familie Bucher will nun auch den Familien der mangelernährten Kindern helfen, Küchengärten mit  Obst und Gemüse anzulegen.

Wonneproppen im Ernährungsprogramm

Wir können auch schon den Erfolg unserer Ernährungsprogramme sehen. Neben den mangelernährten Kindern bekommen ebenfalls die Schwangeren eine Zusatzkost und Mikronährstoffe. In mehreren Dörfern durften wir gesunde, normalgewichtige Neugeborene bestaunen! Jetzt bekommen wir eine Studentin der Universität Hohenheim, die unsere Rezepte noch weiter verbessert und an den exakten Vitamin-, Protein- und Mineralstoffbedarf der Kinder und Schwangeren anpasst.

 

Multitalent Satya

Sehr dankbar sind wir über unseren Gesundheitshelfer Satya, der sich immer mehr zu einem Multitalent entwickelt, alle wichtigen Pläne im Kopf hat und daran denkt, welche Lizenz man wo erstreiten muss. Glücklich ist er, wenn er den Patienten eine Hilfe sein kann und in ihrer Not beistehen kann. Die ganze Familie trägt seinen Einsatz mit und wartet geduldig bis in die Nacht hinein, dass er schließlich zum Abendessen nach Hause kommt. Wir waren zum Geschwister-Festtag bei Satya eingeladen und spürten deutlich, dass wir eine Familie sind.

 

Resümee

Es tun sich viele Türen auf. Wir kommen in neue Dörfer und unser Kinderkrankenhaus wird als Präventivstation und Hilfsangebot von den Dorfbewohnern angenommen. Unsere Ambulanz ist nun wieder täglich gut gefüllt und die Armen kommen vertrauensvoll zu uns, was uns große Freude bereitet.Satya und ich spüren immer wieder Momente, wo wir in Gottes Angesicht schauen können.

 

Ein Wunsch wird wahr.pdf
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