Armut mit ihren vielen Schattenseiten 

Im April und Mai hatten wir eine deutsche Kinderärztin Susanna bei uns im Projekt, die sich mit vollem Herzensblut für unsere Patienten und unser Mutter-Kind Krankenhaus einsetzte. Bald merkte sie, dass hier das Leben ganz anderen Regeln folgt, als sie von Deutschland gewohnt war. Die Bedeutung unseres Leitsatzes „keiner darf verloren gehen“ wurde ihr sogleich vor Augen geführt, als sie merkte, dass die Patienten zu einem vereinbarten Termin nicht wiederkamen, obwohl sie schwer krank waren. Sie verstand dies und ohne Umschweife fuhr sie mit unserer Sozialarbeiterin Soni und unserem Fahrer Hopna ins Dorf, um dort mit viel Überzeugungsarbeit den kranken verlorenen TB Patienten wieder zu uns ins Krankenhaus zu holen. Susanna musste auch feststellen, dass oft der Vater das letzte Wort hat und seine Frau ungern für die Betreuung des Kindes im KH frei gibt, aus Angst vor dem Verlust der Arbeitskraft für Kochen und Feldarbeit. Das ist Armut mit seinen eigenen Gesetzen. 

Bei der Neugeborenen Untersuchung der umliegenden Dörfer berichtet der Betreuer Srikanta, dass dieses zu untersuchende Kind nach der Geburt “im Glashaus“ war...das heißt übersetzt: das Kind hatte eine Fototherapie im Inkubator im Krankenhaus bekommen -wegen einer Neugeborenen-Gelbsucht. Dies ist nicht immer selbstverständlich, am selben Tag wurde ein 5-jähriger Junge mit spastischer Lähmung zu uns gebracht, der nach der Geburt eine solche Gelbsucht mit hohen Bilirubin Werten hatte, was ohne Therapie zu einer Schädigung im Gehirn geführt hatte. 

 

Erfolg unseres Ernährungsprogramms

 

Wir haben unser Ernährungsprogramm in 12 Dörfern nach 18 Monaten Laufzeit nun abgeschlossen und konnten die Anämie Rate bei den Kindern unter 3 Jahren von anfangs 70 % auf 17 % senken. Von 200 Kindern hatten anfangs 160 eine Blutarmut (Eisenmangel) und nach 18 Monaten nur noch 34 Kinder. Die verbliebenen Anämie Kinder haben wir nun abschließend untersucht und weiter behandelt. 

 

Bewegende Patientenvorfälle

 

Bei einem dieser Dorfbesuche haben wir ein 8-monatiges Kind entdeckt, das grau blass und mit Atemnot und Hautblutungen auf dem Arm der Mutter lag. Sofort erkannten wir die Sepsis und die Lebensgefahr und mussten erst noch Vater und Schwiegermutter überzeugen, dass das Kind hochgefährdet ist. Seit 3 Tagen hatte es nicht mehr getrunken, dies wurde als Entzündung im Mund gedeutet und die Schwere der Erkrankung nicht erkannt. Schließlich stiegen sie in unser Ambulanzauto ein und wir fuhren das Kind direkt in das Regierungskrankenhaus, wo es sofort in die Uniklinik verlegt wurde. Eine Woche später war es leider verstorben. Das hat uns sehr traurig gemacht, da es doch die Hilflosigkeit ausdrückt. 

 

 

Wir wurden von einem Mann gebeten seine kranke Schwester in seiner Hütte zu besuchen und fanden dort eine 30-jährige Frau, bei der sich die Haut in Blasen ablöste. Sie litt an einer Autoimmun- Erkrankung, Pemphigus vulgaris. Es war ein erbärmlicher Anblick, in einer dunkeln Hütte lag diese Frau in ihren offenen, eitrigen Wunden, wo Würmer und Gestank herausquoll. Den Mund voller Aphten und Augen mit Krusten verklebt. Eine Aufnahme in unser Krankenhaus und Transport war unmöglich, da sich die Haut beim Aufstehen ablöste. So versorgte ich sie mit Medikamenten und Wundsalben und Desinfektion. Mit Hilfe der lokalen Mutter Teresa Schwestern wird diese Frau nun täglich liebevoll versorgt und ihr Wunsch, zu leben kräftig unterstützt. Als wir in unserer Ambulanz ein Kind mit einem Herzfehler vermuteten und den Kardiologen anriefen, versprach er sofort in 2 Tagen aus seinem Herzzentrum, das 100 km entfernt liegt, zu kommen. 10 Kinder konnten wir ihm präsentieren, wovon 9 einen Herzfehler hatten und 2 dringend versorgt werden müssen. Dieser Kardiologe Dr. Nurul steht uns seit 4 Jahren treu zur Seite.

Immer wieder müssen wir auch sehen, dass Befunde falsch ausgestellt werden. Ein Kind mit Cerebralparese brachten die Eltern die MRT Bilder mit, wo sich deutlich eine Hirnatrophie zeigte, jedoch der Befund als normales Gehirn ausgegeben wurde. Erst bei unserem Gespräch erfuhr die Mutter, was die Erkrankung bedeutet für die weitere Entwicklung. Die Armen werden oft rasch abgefertigt und weitere Therapien gar nicht erst angeboten. 

 

Permakultur Training – Gelerntes wird umgesetzt

 

Von dem Permakultur Training durch Caro blieb viel hängen: Mulchen wird umgesetzt in allen Küchengärten und die Randbepflanzung zum Parasitenschutz versucht. Auch die Bioenzyme zum Putzen sind im Einsatz, als auch die eigene Herstellung von Düngemittel. 

 

Erlebnisse im Dorf

 

Im Dorf Bishnubati waren wir nach der Sprechstunde bei einer Familie in ihrer Hütte eingeladen, die sich mit einem kleinen Essen bei uns bedanken wollte. Die Frau litt an einer Lähmung (Guillain Barre) und die Nervenleitgeschwindigkeit zeigte schon große Ausfälle, so dass eine Immuntherapie schon zu spät erschien. Dennoch entschieden wir uns zu dieser kostspieligen Therapie und diskutieren mit unserem Team und den Freunden im Dorf, dass wir niemals die Hoffnung aufgeben wollen. Und so haben wir alles darangesetzt, die Frau wieder zu mobilisieren. Nun läuft sie flüssig vor uns auf und ab und wir staunen unter dem Abendhimmel über dieses Wunder, das uns Gott geschenkt hat. Wir erkennen alle, woher die Heilung kommt.

Berührend empfand ich auch das Zusammensitzen mit Boro aus den ersten gemeinsamen Tagen im Dorf. Er ist mittlerweile promovierter Soziologe und setzt sich für die Erhaltung und Verbreitung der Santalkultur ein. Vor 28 Jahren saßen wir ebenso unter dem freien Sternenhimmel zusammen und haben über die kleinsten möglichen Schritte einer Dorfentwicklung diskutiert. Heute ist er ein gefragter Redner und Kenner der Santalgeschichte und wird auch in Europa zu Kulturtagungen eingeladen. Was für eine enorme und unerwartete menschliche und dörfliche Entwicklung. 

Derweil kämpfen wir im Krankenhaus mit einer jungen Frau, die an einem beginnenden Nierenversagen leidet und mit Katheder aus dem Hope Hospital Kalkutta zu uns zurückverlegt wurde. Sie will mit Katheder und Urinbeutel das KH verlassen und mit dem Bus nach Hause. Wir holen den Priester, der sie kurzfristig überzeugt, dann ihren Bruder, der sie aufhalten will und zuletzt die ganze Krankenhaus-Patientenschar umringt sie, um sie zum Bleiben zu bewegen ... vergeblich? Eine Woche später erschien sie zum vorgesehenen Kontroll-Termin ... die Gebete haben geholfen - eine Erleichterung! 

 

Awareness Training zur Zahnhygiene und Mangelernährung

 

Im Rahmen einer zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchung in den Dörfern, welche unsere Volontärärztin Susanna durchgeführt hat, fanden wir doch viele Kinder mit tiefen Karieslöchern. Sie sind durch den Mineralmangel mitbedingt und der kohlenhydratreichen Ernährung. Susanna stellte wunderbare Demo-Poster zusammen, so dass nun alle Kinder, die zu uns zum Zahnarzt kommen, eine Aufklärung über Zahnpflege mit Zahnbürste und-creme bekommen.

Im Dorf versuchten wir in einem Rollenspiel, das von den Müttern selbst gespielt wurde, den Zusammenhang zwischen Mangelernährung, Infektneigung und Intelligenzminderung aufzuzeigen. Es wurde ein lebendiges Schauspiel, worin alle Mütter involviert waren mit ihren guten Kommentaren, niemals können wir sie so gut erreichen, als wenn sie Not und Folgen in ihrer Seele miterleben. 

 

Tuberkulose Fall – Mukhi, 15 Jahre

 

Die Tuberkulose ist wieder sehr am Ansteigen nach der Coronazeit. Fast täglich können wir einen TB Fall bestätigen. Mukhi ein 15-jähriges Mädchen hatte schon 2mal eine Lungen-TB hinter sich mit vollständiger Therapie. Seit 5 Monaten hat sie nun Atembeschwerden und ihre Sputumteste waren stets negativ, sodass ein Aufflackern der TB nicht erwogen wurde. Als wir ein Röntgenbild anfertigten, erschraken wir sehr, da die eine Lungenhälfte schon fast völlig zerstört war. Sie litt dadurch unter Sauerstoffnot und Herzschwäche. Wir versorgten sie notfallmäßig und zogen einen Pulmonologen hinzu, der sie gleich auf der Intensivstation aufnehmen wollte. Doch in diesem Privatkrankenhaus sind die Kosten enorm hoch, so dass auch wir uns zurückzogen. Wir verlegten sie wieder ins Hope Hospital nach Kalkutta und dort wurde sie von einer TB Spezialistin versorgt, die wir bereits aus früheren Jahren kennen. 

 

Besuch des Generalkonsuls Manfred Auster

 

Es kam uns auch der neue Generalkonsul Manfred Auster besuchen, um sich von uns ein Bild zu machen. Dafür hat unsere Belegschaft einen rhythmischen Santaltanz aufgeführt mit schön geschmücktem Outfit und Kleidern. Diese Freude hat ihnen sehr gutgetan. Unser Farmer Nilu hat im neu gebauten Lehmofen die ersten Moringa-cookies für unsere Kinder gebacken und die erste Kostprobe ging an den Konsul und seine Assistentin Isha, den es sichtlich schmeckte. 

 

„Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25, 40)

 

 

Kontakt:

 

Shining Eyes e.V. | Dr. Monika Golembiewski | monika.golembiewski@gmx.de | www.shiningeyes.de