Gesichter der Armut

April 2021

Alleine im Alter

Satya ist ganz verzweifelt, denn bei seinem alleinlebenden Schwiegervater ist das Haus eingefallen. Eine Lehmhütte, die schon viele Risse und Löcher hatte, hat nicht mehr Stand gehalten und den Mann unter sich begraben. Wie ein Wunder hat er sich nur den Arm gebrochen, war jedoch danach traumatisiert und verwirrt. Satya hat ihn zu sich nach Hause geholt, wo er als Pflegefall versorgt werden musste. Der Schwiegervater hatte sein Leben als Aushilfe in einem kleinen Straßengeschäft verdingt und nur wenig Einkommen gehabt. So hat er auch nun keine Rente und ist komplett mittellos und ganz auf die Hilfe seiner Kinder angewiesen. Satya konnte ein kleines Häuschen wieder aufbauen und einen Helfer engagieren, der täglich zu ihm kommt und den gelähmten Mann versorgt. Ein ähnliches Bild bietet sich mir jeden Morgen, wenn ich ins Krankenhaus fahre. Eine ältere Frau kampiert am Straßenrand und kocht sich etwas am Feuer, was sie gerade von den umliegenden Ständen abgegeben bekommt. Wir finden heraus, dass sie zwar Angehörigen hat, die jedoch nichts mit ihr zu tun haben wollen.

Dagegen der Vater von Leena, meiner früheren Dorfhelferin. Er hat zwei Schlaganfälle erlitten, liegt zuhause mit Magensonde und Katheter und ist kaum ansprechbar. Leena pflegt ihn fast rund um die Uhr hingebungsvoll und schreibt seine Biographie auf. Er hat vor 50 Jahren unter den Land Lords als Sklave auf den Feldern gearbeitet, 16 Stunden am Tag für ca. 1 Cent Verdienst pro Tag. Er hat eine Gruppe von Gleichgesinnten gesammelt mit denen er sich für humane menschliche Bedingungen einsetzte und so langsam einen friedlichen Übergang zu besseren Arbeitsbedingungen erreichen konnte. Jedem seiner 6 Kindern konnte er eine Ausbildung ermöglichen, welche sich nun alle um ihn bemühen und stolz auf ihn sind.

Die Corona Infektionszahlen steigen

Nun sind im April auch hier exponentiell die Coronazahlen angestiegen, was sich jedoch im allgemeinen Alltagsleben ohne jegliche Maßnahmen kaum bemerkbar macht. Es stehen Wahlen an, da werden Veranstaltungen von beiden Hauptparteien vielerorts abgehalten, wo Zehntausende lautstark demonstrieren -ohne jeglichen Schutz. Die staatlichen medizinischen Einrichtungen sind sich der Gefahr bewusst, täglich werden dort ca. 50% der Getesteten positiv auf Covid-19 entdeckt. Testen lässt man sich jedoch oft erst mit deutlichen Beschwerden. Somit bleibt eine hohe Dunkelziffer.

Wir haben in unserem St. Mary Krankenhaus Schnelltest im Einsatz, jedoch beim Personal und unseren Patienten (Mütter und Kinder aus den Santaldörfer) kein positives Ergebnis entdeckt.

 

Unsere Ernährungsprogramme laufen erfolgreich

Viele staatlichen Programme sind seit der ersten Pandemiewelle eingefroren, wie die Essenszentren für Kinder in den Dörfern, als auch operative Sterilitätsbehandlungen in den Krankenhäusern. Unsere Ernährungsprogramme in den 12 Dörfern für alle Kinder unter 3 Jahren laufen ununterbrochen weiter und haben sich bewährt.  Auf dem Markt sind besonders die Nahrungsmittelpreise seit dem letzten Lockdown sprunghaft angestiegen, z.T. weil sich der Spritpreis um 30% erhöht hat und dies auf die Nahrungsmittel aufgeschlagen wird. Wir konnten bei den Kindern die Anämierate verbessern und viele mangelernährte Kinder auch stationär aufnehmen und bei uns im Krankenhaus aufpäppeln. In den Dörfern haben wir nach wie vor Gemüsegärten angelegt und unsere geröstete Weizen-Linsen Mischung „NutriMix“ verteilt, die wir bei uns im Krankenhaus herstellen. Unsere neue Sozialarbeiterin Soni ist sehr aktiv, und schult Mütter in der richtigen Zubereitung des Porridges unter Verwendung der von uns ebenfalls verteilten Zutaten Milch, Zucker, Öl. Hierbei sind für eine ausreichende Vitaminversorgung adäquate Mengen an Gemüse oder Obst entscheidend, die die Familien den Küchengärten entnehmen. Durch kontinuierliches Training wird das Bewusstsein der Mütter für die Wichtigkeit einer gesunden Ernährung gestärkt.

Sprechstunde im St. Mary

Die Frauensprechstunde in unserem Krankenhaus wurde reich besucht und alle 2 Wochen hat unser Gynäkologe chirurgische Ligaturen bei den Frauen durchgeführt, da die Frauen deutlich machten, sie können nicht mehr Kinder ernähren als sie bereits haben.

Auch unser Kardiologe Dr. Nurul von fern, kam wieder und hat 4 Kinder zu einer dringenden Herzoperation herausgefunden, die er selbst dann durchführen will. Unser Koordinator Jayanta ist mit ihm schon gut in diesem Organisieren der OP eingespielt.

Auch unser Kinderneurologe Dr. Swapan aus Kalkutta kam an einem Sonntag und hat 75 Patienten angeschaut, wo viele Epilepsie Kinder darunter waren, die bisher ohne Medikamente sind. Wir hatten mithilfe eines neurologischen Fragebogens diese Kinder über unsere Sozialarbeiter ausfindig machen können. 

In unserer Ambulanz kommen immer wieder Patienten mit unklaren Infektionen. Ein 18-jähriger liegt ganz dehydriert, abgemagert vor unserer Türe und kann nicht mehr laufen. Der erste Verdacht ist TB, der sich nicht bestätigt. Wir verlegen ihn in das staatliche Krankenhaus, wo er eine Infusion bekommt und damit entlassen wird. Wir holen ihn wieder zu uns und verlegen ihn weiter in eine Uniklinik, wo er langsam wieder auf die Beine kommt. Alleingelassen sind sie hilflos und warten zuhause ohne Therapie auf Besserung?!

Budla, ein Mann mit einer Lymphknoten TB hat sich nach unserer ersten Therapie sehr gut erholt. Nun hat er sich selbst entlassen und wir müssen ihn umständlich suchen, um seine Wunden zu verbinden und seine langdauernden Medikamente weiter zu verabreichen.

Ein 4-jähriges Kind erscheint und ist seit über einem Jahr gelähmt nach einem Infekt, die Knochen sind entkalkt wie bei einer Rachitis, die Lunge fibrotisch geschädigt, Hände und Füße nicht mehr gewachsen. Wir vermuten, dass es eine Vergiftung ist, da verschiedene Parasitengifte doch leicht zugänglich sind und nicht sicher aufbewahrt werden.

Chobi´s Familie wieder zu Besuch

Unsere Sorgenfamilie von Chobi mit 3 Geschwistern war auch wieder bei uns einquartiert und haben sich waschen und satt essen können. Ihre häusliche Hütte ist sehr dreckig und ohne Inventar nur mit einer Kochstelle am Boden. Bei uns blühen die Kinder auf und bekommen auch Unterricht, was ihrem Leben “von der Hand in den Mund“ deutlich entgegensteht. Chobi´s Mutter hat unsere Baustelle vor dem Krankenhaus als ihre Chance entdeckt, sogleich sich anheuern lassen, um Sand zu schleppen und ein paar Rupies zu verdienen. Dann ging sie in die Stadt und hat Kleider für die Kinder gekauft und diese stolz unserem Personal vorgeführt.

Ich konnte wieder einige Santaldörfer besuchen und entdeckte gleich zu Beginn, dass eine Wasserpumpe defekt war und das Wasser aus den Reisfeldern (angereichert mit allerlei Parasitenvielfalt) zum Geschirr spülen benutzt wird. Also wollen wir uns sofort um eine Reparatur bemühen, was den Anwohner nicht möglich ist. Bei der Sprechstunde im Freien sind wir umringt von vielen Kindern mit leuchtenden Augen, Ziegen und Enten und gesprächigen Müttern...alles in einer friedvollen Stimmung -eingebettet in den Naturkreislauf-spürbar ein kosmisches Zusammenspiel, so dass es auch uns sehr berührt und mit einstimmen lässt - dankbar in Gottes Schöpfung.

 

 

„Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“

(Matthäus 25, 40)