Ein freudiges Wiedersehen

Februar 2021

Wieder zurück nach einem Jahr

Nach einem Jahr Coronapause gab es eine große Wiedersehensfreude als wir wieder im Krankenhaus beisammen sein und unseren Weg gemeinsam fortsetzen konnten. Meine Mitarbeiter erzählten mir, dass sie sich wie eine Familie fühlten und weitergemacht haben, so wie sie es von mir gewohnt waren.

 

Mungla – altbekannter Nierenpatient

In der Ambulanz erschien schon bald unser bekannter Patient Mungla mit stark geschwollenen Beinen und Gesicht. Er leidet an einer chronischen Nierenerkrankung (nephrotisches Syndrom), und hatte wieder einen erneuten Schub bekommen. Nun wollten wir ihn bei uns behalten, da er zuhause seine Medikamente nicht regelmäßig einnimmt. Nach näherem Nachfragen stellte sich heraus, dass er sehr besorgt um seine Mutter ist und diese ernähren müsse, seine Brüder wären abwesend und es gab keine andere Unterstützung. Zudem hatte er gerade geheiratet und wenn er nicht zuhause sei, würde seine junge Frau wieder in ihre Familie zurückkehren und nur schwer wieder herbeikommen. Also nahmen wir vorerst Mutter und Frau mit auf, damit diese nicht verhungern, bzw. davonlaufen und Mungla behandelt werden konnte. Er benötigte dringend eine Nierenbiopsie, um eine stabilisierende Therapie fortführen zu können.

Uttum – genesen von seiner Wirbelsäulen TB

Voller Erstaunen betrachte ich Uttum, einen 40-jährigen jungen Mann, der an Wirbelsäulen-TB erkrankt war und seit über einem Jahr bei uns stationär ist. In seinem Dorf war er erkrankt und konnte sich kaum mehr bewegen. Er bat einen Priester um Hilfe, der ihm Geld gab, um zu einem Arzt nach Kalkutta zu fahren. Das Geld reichte gerade für das Taxi, so dass er dort nicht weiterkam und nicht behandelt werden konnte. Er ging zu Verwandten in unserer Nähe, die ihm von uns erzählten und die unseren Koordinator Jayanta anriefen. Wir fuhren zu ihnen und fanden einen schwer kranken Mann, abgemagert und kaum beweglich vor, der alle Hoffnung verloren hatte. Traurig, da er eine herzkranke Tochter hatte, für die er sorgen musste. Wir nahmen beide mit zu uns ins Krankenhaus und brachten ihn nun selbst nach Kalkutta, wo er bei einem Neurochirurgen an der Wirbelsäule operiert werden konnte. Wir begannen dann die TB Medikamente zu verabreichen und behielten ihn und Tochter bei uns. Langsam lernte er wieder an einem Stock laufen, woran er sich noch mühsam abstützen musste. Nun ein Jahr später lief er ganz leichtfüßig und wie selbstverständlich den Gang entlang-aufrecht-würdevoll...kaum zu glauben, wie er einst darniederlag. Seine Tochter Kolpona hatte einen schweren Herzfehler (Fallot), wir brachten sie in ein Herzzentrum in einer größeren Unistadt, wo sie operiert werden konnte. Unser treuer Koordinator Jayanta wartete vor der OP-Tür bis sie wieder herausgefahren kam und blieb bei ihr, bis zur Entlassung zu uns. Mittlerweile ist sie verheiratet, was sicher auch zum leichten, glücklichen Gangbild von Uttum beiträgt.

Chobi´s Familie ist wieder bei uns

Unsere Sorgenfamilie Chobi war auch wieder da, nachdem der 3-jährige Bruder sich eine Zehe in den Fahrradspeichen abgeraspelt hatte. Plötzlich sind von der 5-köpfigen Familie nur noch die zwei kleinen 3- und 4-Jährigen da. Die Mutter hat sich mit den beiden anderen, dem kleinsten und der ältesten aus dem Staub gemacht. Es stellte sich dann heraus, dass sie eine Arbeit auf einem Bau hatte und dabei das Kleine stillen konnte und das Größere während der Arbeit die Aufsicht hatte…Armut und Hunger lassen hier die mütterliche Sorgfalt schmelzen. Das älteste Mädchen hat damit auch keine Chance zur Schule zu gehen, da es die Mutter ersetzen muss. Nun geht es bei uns in die Klinikschule, was ihr viel Freude macht.

Dorfbesuche mit wundersamen Geschichten

Während der Corona Krise waren die Anganwadi-Essens-Zentren geschlossen, somit entfiel die täglich warme Mahlzeit. Ersatzweise wird Reis und Kartoffeln vom Staat verteilt, jedoch kein Gemüse oder Ei wie sonst. Auch die Impfungen wurden teilweise versäumt, da sie dazu ins Health Centre mussten. Nun zeigten sich gerade in den Dörfern keine Coronapatienten oder derartige Symptome, da die Dorfbewohner ohnehin im Dorf ihren eingegrenzten Lebensbereich haben.

Als ich dann in die vertrauten Dörfer Bishnubati und Ghosaldanga konnte, war die Wiedersehensfreude ganz groß. Auch Caro -Ernährungswissenschaftlerin, war dieses Mal wieder mit dabei und begleitete u.a. die Dorfcheckups und Schulungen im Dorf durch unseren Sozialarbeiter Rine zu Themen wie Hygiene oder Familienplanung. Die Santaldörfer waren von Corona verschont geblieben. Jedoch kamen auch weniger Lebensmittel in die Dörfer, so dass wir vermehrt mangelernährte Kinder hatten. Wir konnten einige davon in unser Krankenhaus aufnehmen und sie nahmen rasch an Gewicht zu.

Im Dorf stellte mir eine glückliche Mutter ihr Kind vor, das ursprünglich ein Findelkind war und mich fröhlich anlachte. Die Mutter berichtete mir, dass das Kind von seiner leiblichen Mutter direkt nach der Geburt auf den Bahngleisen ausgesetzt wurde. Es kam dann kurz darauf diese Frau vorbei, die sich seit Jahren sehnlichst ein Kind wünscht und nicht schwanger wurde. Sie kam gerade aus der Kirche, wo sie um ein Kind betete. Sie rettete dieses ausgesetzte Kind in ihre Arme, bevor ein Zug kam und hielt es geborgen fest, was dann ihr eigenes Kind werden sollte. So eine Wundergeschichte erfüllt jeden von uns mit tiefer Gottesfurcht.

Neugeborenen-Vorsorge

Vormittags hatte ich im Krankenhaus eine Neugeborenen-Vorsorge eingeführt. Es wurden aus verschiedenen Dörfern, die Kinder unter 6 Monaten gebrachten und von uns untersucht. Die Mütter erhielten eine Schulung in Hygiene, Ernährung und Notfälle. Bei der Untersuchung waren neben der Mutter die Sozialarbeiter und Dorfhelfer als auch Farmer dabei und alle bestaunten die Neugeborenen und freuten sich an den Entwicklungsschritten, welche wir entdeckten. Es war eine ganz friedvolle Stimmung, die in dem indischen turbulenten quirrligen Alltagsleben ein schöner Moment war. Mehrmals lagen Saatkörner dann auf der Liege und ich wunderte mich, wo diese herkamen. Sie stellten sich als Senfkörner heraus, die in einem kleinen Säckchen an einer Leinenschnur um den Hals gebunden waren. Diese Saatkörner sollen vor dem Bösen bewahren und werden vom Medizinmann im Dorf extra in einem Ritual zubereitet.

10-jähriges Jubiläum unseres St. Mary´s Kind & Mutter Gesundheitszentrums

Wir hatten am 11. Februar unser 10-jähriges Jubiläum und feierten es nur mit unseren Patienten und Personal. Tage zuvor wurde schon gebastelt und das Tanzen eingeübt, Köchin, Krankenschwester und Kinder tanzten nun bei jeder Gelegenheit zur Handymusik. Tatsächlich kam es zu einer schönen gemeinsamen Tanzaufführung, die alle erfreute. Blinde Kuh und Kekse- an- einer -Schnur ergattern waren ein toller Spaß. Am Schluss tanzten alle gemeinsam in einer Runde vor unserer Mariengrotte, unserer Schutzpatronin, was ein schöner verbindender Moment war…besonders nach dieser Corona Zeit. Berührend war auch die Fußwaschung vor der Messe.

Die Ambulanz füllt sich mit Patienten

Täglich füllte sich die Ambulanz immer mehr mit Patienten und es kommen wieder viele Kinder u.a. mit Behinderungen, die dringend Hilfe brauchen. Ein 5-jähriges Mädchen hatte sich an der Hand verbrannt und es war eine Narbe enstanden, die den 4.Finger nach innen abknicken ließ. Rasch konnten wir diese operative Narbenlösung organisieren.

Unser Kinderneurologe Swapan wird ab April auch wieder regelmäßig kommen. Der Kardiologe wollte sofort kommen, nachdem er hörte, dass ich wieder da bin. So bleibt unsere Kinderstation eine beliebte Anlaufstelle für die Santal- Mütter und Kinder und sie sind dankbar, wenn ihre mangelernährten Kinder nach einer Pneumonie wieder gut genesen.

 

In all den Tagen habe ich ein Gefühl des Schutzes und Getragensein in Gott erlebt, offen und frei für den Menschen, der jetzt vor mir steht.

 

      „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“

 

(Matthäus 25, 40)