Umwege sind geführte Wege

Februar 2015

Diesmal hatten wir wieder ärztliche Unterstützung durch Waltraud Merkle bei uns, die uns bei den vielen Checkups in den neuen Dörfern freudig unterstützte. Als wir sie nach 3 Wochen zum Bahnhof brachten, hatte der Zug eine Verspätung, und wir konnten auf der Rückfahrt nicht die Brücke zum Krankenhaus benutzen. Der Verkehr war wieder einmal kollabiert und nichts konnte sich mehr von den drängelnden Ochsenkarren, Ziegen, Mopeds mit 4 Personen, Pritschenwagen voller Arbeiter und Bausteinen, Bussen mit ca. 30 Personen auf dem Dach über diese enge Eisenbahnbrücke zwängen.

Kurz entschlossen nahmen wir einen Umweg über einen aufgeschütteten Hügel durch ein Flussbett (hier war die Brücke vor Monaten eingebrochen - eine Reparatur ist vorerst nicht in Sicht). Im Vorbeifahren entdeckten wir eine Frau mit einem offenen Unterschenkelgeschwür, wobei ein Drittel des Unterschenkels bereits eingeschmolzen war. An ihrer Hand lief ein kleiner Junge. Wir hielten an und fragten nach ihrer Behandlung. Ihre Familie hatte sie ausgestoßen, da sie die Kosten für eine langwierige Behandlung nicht aufbringen wollten. Nun wohne sie mit ihren Kindern bei einem Onkel, wo sie durch Betteln ihr Bleiberecht erwirke.

Wir luden sie mit ihrem Kind ins Auto und nahmen sie mit ins Krankenhaus. Sofort entflammte das Herz unserer Sr. Lissy und sie versorgte sie mit einem Verband, Essen und frischen Kleidern. Wir boten ihr an, sie mit den Kindern aufzunehmen und am nächsten Tag machte sie sich auf um das zweite Kind zu holen…. Leider erschien sie nicht wieder!

Zu blühendem Leben erwacht

Unsere junge Mutter Gusum, die ebenfalls im Leben gestrandet war und als Bettlerin hochschwanger auf der Straße saß, ist bei uns zum blühenden Leben erwacht und hütet nun auch kranke Kinder auf unserer Station mit, wenn ihre Mütter beschäftigt sind. Wir wollten ihr eine Schneiderlehre anbieten, jedoch hat sie nun eine Stelle als Hausangestellte gefunden, wo ihr Kind mitdarf und eine Schulbildung später bekommen kann.

Ganz glücklich und gut erholt erlebten wir die 14-jährige Rajini, die sich gerade von einer Herzoperation in einem auswärtigem Herzzentrum erholt hatte. Mit Unterstützung der lokalen Rotarier konnten wir diese sehr rasch organisieren. Ihre drei Geschwister und ihr Vater waren an Herzfehlern gestorben, denen ein Zugang zu einer kostspieligen OP nicht möglich war.

Gottes Hilfe für Sijan

Große Sorgen machen wir uns um Sijan mit einem Non Hodgkin Lymphom. Wir haben einen guten und zugewandten Onkologen in Kalkutta gefunden, durch seine Mithilfe konnten wir nach mehreren Anläufen einen Krankenhaus Platz in Kalkutta, im Medical College ergattern. Unser treuer Helfer Pankaj ist mehrmals nachts mit dem Zug losgefahren, um Diagnostik und Arztbesuche zu koordinieren. Die Verwandten sind in der Millionenstadt Kalkutta verloren, sie kampieren vor dem Krankenhaus auf Plastikplanen auf der Straße, um am Tag den Kranken besuchen zu können. Durch den persönlichen Kontakt hat die Therapie auch rasch begonnen, jedoch benötigen wir Gottes Hilfe, hat uns der Onkologe fest versichert!

Humanitäre Arbeit bekommt eine wissenschaftliche Stütze

Silvi (Entwicklungsökonomie) und Caroline (Ernährungswissenschaft) haben ihre gemeinsame Doktorarbeit nun begonnen, welche von der Universität Hohenheim betreut wird. Dazu besuchen wir 20 neue Dörfer und suchen alle Kinder bis 3 Jahre, Schwangere und stillende Mütter heraus und prüfen die Ernährungslage, messen Gewicht, Länge und MUAC (den Oberarmumfang), sowie den Body Mass Index BMI und den Hämoglobingehalt im Blut, um das Ausmaß von Mangelernährung, Infektionsrate und Anämien festzuhalten. 

In 15 Dörfern wurden unsere Ernährungsprogramme eingeführt. Fünf Dörfer erhalten ein Konzentrat aus Moringa/Amaranth und 5 Dörfer einen kommerziellen Mineral-/Vitaminzusatz und 5 nur das Ernährungsprogramm. Nach einem Jahr wollen wir sehen, wie sich die Ernährungssituation verbessert hat, anhand von Wachstum, Gewichtszuwachs, Verbesserung der Anämie und Infektionsrate. Dabei arbeiten wir mit dem lokalen Landwirt Srikanta zusammen, der sein gut organisiertes Mitarbeiterteam einsetzt und hoch motiviert dabei ist. 

Jeden Tag besuchten wir ein neues Dorf und haben so unseren Radius ganz schön ausweiten können. In manchen Dörfern trafen wir auch schon auf bekannte Gesichter, Patienten, die bereits in unserem Krankenhaus waren. Sonjoy, ein herzkrankes Kind mit Fallot Tetralogie, den wir vor 2 Jahren in Kalkutta operieren ließen, hat nur minimal an Gewicht zugenommen. Gleich haben wir ihn wieder bei uns aufgenommen, um ihn aufzupäppeln und zur weiteren Diagnostik. 

In einem Dorf meinte eine Frau, sie kenne mich aus dem Dorf Ghosaldanga, wo ich angefangen habe und sie hätte sich so sehr gewünscht, dass ich auch einmal hierher in ihr neues Dorf komme und nun seien wir einfach da. Damit ist die Akzeptanz im neuen Dorf recht leicht. Nur in einem Dorf war es schwierig, als ein angetrunkener Mann uns anzeigen wollte, weil wir Blut abnehmen und missionieren würden. Manchmal gab es ein lautes Wehklagen der Kinder, mehr bedingt durch das Messen und Wiegen, als das Blutabnehmen. 

Unser Landwirt Srikanta wollte lieber auf Sicherheit setzten und organisierte eine Einladung an die lokalen Politiker, um unser Programm vorzustellen und abzusichern. Dies fand in einem Dorf statt, wobei wir den neuen Gesundheitsarzt kennenlernten, den wir dringend für unsere Lizenzen im Krankenhaus brauchen. Die Politiker waren sehr bemüht, die Regierungsprogramme vorzustellen. 

Neu sei, dass Kinder nun eine finanzielle Hilfe für notwendige Herzoperationen bekommen sollen. Wir konnten dies gleich in Anspruch nehmen, da bei unseren vielen Checkups in den Dörfern, zwei Kinder mit schweren Herzfehlern gefunden wurden. Sie sind gerade im administrativen Instanzenweg und wir warten auf den OP-Termin…. Das sind die Steine am Wegrand, die man aufheben und mit denen man bauen kann!

Tuberkulose-Team in vollem Einsatz

Im Krankenhaus hat Silvi unsere TB Arbeit gut im Ablauf strukturiert und mit Hilfe von Tabellen geordnet. Gleich an der Anmeldung sollen die verdächtigen Patienten erkannt und mit Mundschutz separat außen gesetzt werden. Hat sich der Verdacht bestätigt, beginnt Jayanta die Aufklärung über die Krankheit und die Therapie, um vorzeitige Abbrüche zu vermeiden. 

Wir bieten den Patienten Zusatzmedikamente/Vitamine und Zusatznahrung an. Falls sie nicht termingerecht kommen, fahren unsere Helfer in die Dörfer, um sie zu holen… So auch einen 35-jährigen Mann, der nur noch Haut und Knochen war und seit 6 Monaten nicht mehr aufstehen konnte und nur in seiner Hütte lag.

Rasch war die Diagnose TB bestätigt und alle engen Familienmitglieder mit untersucht. Vor allem wollen wir kleinen Kindern im Haushalt eine Prävention anbieten, falls sie sich nicht angesteckt haben und eine eigene Therapie benötigen.

 

Wir arbeiten nun mit den TB-Regierungsstellen zusammen, die uns als TB versorgendes Zentrum anerkennen wollen. 

Ambulanzauto eingeweiht

Unser kleiner Ambulanzwagen wurde uns in einem kleinen Festakt von den Rotariern übergeben. Sogleich war er auch rege im Einsatz. Wir hoffen diese Zusammenarbeiten weiter bei den Ernährungsprogrammen fortsetzten zu können.

Wo Ideal zu Wirklichkeit wird

Mina und Rupa sind nun schon fast ein Jahr bei uns. Mina ist wieder kräftig, ihre Wirbelsäulen TB ist fast ausgeheilt. Zwei ihrer Kinder besuchen ein Schul-Internat und Rupa ist im Krankenhaus zu einer aufgeweckten kleinen Persönlichkeit geworden. Eines Abends als wir aus den Dörfern zurückkehrten, finden wir Rupa in der Rezeption zusammen mit einem anderen Kind Arm in Arm sitzend und fröhlich lachend vor dem Wandbildnis von Jesus mit den Kindern: Lasst die Kinder zu mir kommen… Wir sind still, berührt, wo Ideal zur Wirklichkeit wird! 

Umwege sind geführte Wege.pdf
PDF-Dokument [1.2 MB]