Lebensgeschichte und neue Perspektiven – Die Kraft der Fürsorge und Unterstützung
November 2024
Eine junge Mutter ohne Halt
Bei unserer Neugeborenen Vorsorge sehen wir eine Mutter, sehr jung und still. Wir merken gleich, dass sie sehr unbeholfen ist und keine Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft gemacht hatte. Sie wurde von unserem Landwirt gebracht, der hier auch keine weiteren Fragen stellen konnte. Also brachten wir sie zu unserer liebevollen Krankenschwester, die sie behutsam ansprach.
Hochzeitsritual im Santal Dorf
Ähnliches erfahren wir bei unserem Besuch im Santal Dorf. Dort erzählt uns unser Freund Boro, dass gerade eine Freundin seines Bruders bei ihnen wohne. Nächste Woche steht ein großes Fest an. Die Eltern des Mädchens kommen, zunächst zum Häuptling und erkundigen sich, wo nun ihre Tochter wohnt. Dann kommen sie in ihre Familie und werden festlich, gemeinsam mit einem Teil der Dorfbewohner aufgenommen und weiteres dann besprochen bzgl. einer Hochzeit. Es gibt daneben immer noch arrangierte Hochzeiten durch einen Heiratsvermittler.
Vom Dorfleben zum Doktortitel
Die Schicksale sind manchmal doch sehr berührend: Boro erzählt, wie er als Junge aufwuchs und das Dorfleben sehr liebte. Auch heute noch sehen wir, wie die Kinder unbeschwert, fröhlich miteinander tanzen, lachen und spielen…ganz unberührt von irgendwelchen Sorgen. Sein Großvater wollte ihn auf eine Missionsschule schicken, für eine gute Ausbildung, was die Großmutter jedoch ablehnte. Er war froh, im Dorf bleiben zu können. Dann starb die Großmutter und sein Großvater schickte ihn nach Kalkutta in die Loretto Schule, die er gut abschloss. Dort lernte er auch seine spätere Frau kennen. Weiter studierte er Sozialarbeit und promovierte. Mittlerweile ist er ein gefragter Redner und Autor bzgl. der Santal Kultur.
Eine umständliche Odyssee
Mit unserem neuen Ambulanzwagen fahren wir die moribund kranke Frau gleich in das staatliche Krankenhaus, nachdem sie bei uns erstmal eine Infusion bekommen hatte. Dort bekommt sie ebenfalls eine Infusion und wird ohne weiter Diagnostik nach Hause entlassen. Als wir es erfahren, holen wir sie aus dem Dorf ab und fahren sie nach Kalkutta zur weiteren Abklärung.
Wenn Affen die Dusche kapern
Als wir verschwitzt und verstaubt von einem Dorfbesuch am Abend zurückkehren, muss eine ersehnte Dusche erst mal warten. Eine Affenbande hat auf dem Hausdach am Wassertank herumgeturnt, bis dieser aus der Verankerung brach, das Wasser herausspritze und die Affen duschten und sich am Wasser ihren Durst stillten.
Ein Lichtblick für Basanti und ihre Kinder
Basanti, unsere Krebs Patientin hat einen bisher guten Erfolg bei der Chemotherapie. Sie ist allein mit ihren 4 Kindern, nachdem ihr Mann an TB verstorben ist. Ihre große Sorge gilt den Kindern, was aus ihnen wohl wird. Nun haben wir die Älteste in unserer Küche angestellt und lernen sie ein. Die Jüngere kann in einer Schwesterngemeinschaft eine Ausbildung machen. Der Junge ist im Internat untergebracht und das Jüngste Mädchen kann in einer Ashram-Schule, nahe dem Dorf unterkommen. Nachdem wir das alles mit ihr besprechen, ist sie sichtlich erleichtert… Allein könnte sie dies niemals regeln.
Zugang zu Fachärzten für die Armen
In Kalkutta trafen wir den Onkologen, der unsere Basanti betreut, und er sicherte uns zu, ab dem nächsten Jahr bei uns im KH regelmäßig Sprechstunde abzuhalten. Somit bekommen die Armen auch Zugang zu Spezialisten, da viele den Weg in eine größere Stadt und Uniklinik scheuen und niemand haben, der sie begleitet.
Hoffnung für neurologische Kinder
Wir haben einige behinderte Kinder in ein Neuro-Rehabilitation Programm bei uns aufgenommen. Die Kinder bekommen täglich Physiotherapie und eigeninitiierte Ergotherapie (aus Mangel dieser Therapeuten), um den nächsten Entwicklungsschritt beim Kind anzubahnen.
Eine Mutter wird von ihrem Mann für dieses behinderte Kind angeschuldigt und hat keinen Beistand, außer wenn sie sich zu ihrer Herkunftsfamilie flüchtet. Sie bekommt als Strafe auch nichts zu essen und keine Kleider. Wir wollen sie ermutigen sich mit ein paar Frauen im Dorf zusammenzuschließen für ein gemeinsames Projekt (Selbsthilfegruppe). Eine andere Mutter ist gut aufgenommen in der Familie des Mannes, aber vom Mann auch gemieden, nachdem sie ein behindertes Kind geboren hat.
Ein neues Porridge für eine starke Darmflora
In 5 Dörfern führen wir ein neues Ernährungsprogramm ein, das besonders auch das Mikrobiom des Darmes verbessern soll. Dazu gibt es Kichererbsen, Linsenmehl, Sojabohnen, Sojaöl, Erdnüsse und Banane als ein Porridge. Gleichzeitig wird in den anderen 8 Dörfern weiterhin das bewährte NutriMix angeboten.
So möchten wir vergleichen, ob sich mit dem neuen Rezept die Hb-Werte der Kinder besser entwickeln. Die Kinder essen das neue Porridge gerne, lediglich die Logistik des Bananen Transportes in die Dörfer ist eine Herausforderung. Wenn wir für 3 Tage 3 Bananen in einen Haushalt geben, werden diese von den anderen Kindern natürlich vorher gegessen. Obst gibt es kaum in einer Familie. Wir werden auf Datteln umsteigen müssen. Unsere SE- Mitarbeiterin Daniela war ebenfalls in Indien und hat in allen 5 Dörfer dieses neue Rezept vorgekocht, was sofort auf gute Akzeptanz stieß. Weiterhin hat sie Fortbildungen für unsere Sozialarbeiterin und Dorfhelfer gegeben.
Weiterhin hatten wir eine Studentin der Ernährungsmedizin bei uns, Sarah die ein neues Projekt mit den Schwangeren vorbereitete. Diese nehmen während der Schwangerschaft nur ca. 6kg zu in Gebären ein Kind mit ca.2,5kg. So wollen wir auch für die schwangeren ein Ernährungsprogramm aufstellen.
Ein langer Weg
Im Dorf suchten wir nach unserem Patienten mit einer aplastischen Anämie (Blutkrebs) und fanden ihn nicht. Einige Tage später kam er zu uns und erzählte, dass er in einem Krankenhaus in Bangalore war. Ein Bekannter erzählte ihm von einem berühmten KH dort, und er dort geheilt werden könne. Er verkaufte ein Stück Land, um diese Reise mit dem Zug 2000km entfernt zu unternehmen. Eine Heilung kann jedoch nur durch eine Knochenmark-Transplantation erfolgen, was für ihn nicht Frage kommt. So blieb nur eine medikamentöse Therapie übrig, die er bereits bei uns schon erhalten hatte.
Verwirrung um den Sari – Tradition und Eigenwille
Der Einkauf der Saris für unsere bedürftige Patientin hatte dann ein größeres Nachspiel. Ihr Onkel sah sie im Bekleidungsgeschäft und vermutete, sie kaufe für sich einen Sari für eine geheime Hochzeit. Daraufhin rief ihr Onkel an im Krankenhaus und sagte, er und ihr Vater kommen, um sie nach Hause zu holen, wo sie dann mit einem Mann seiner Wahl verheiratet werden sollte. Wir konnten die beiden Männer beruhigen, dass nur ein Sari für eine Patientin gekauft wurde. Tatsächlich wollte die Krankenschwester ihren Freund im nächsten Monat heiraten, was dem Onkel wohl nicht gefiel, da sie eine gute Partie ist (mit zukünftigem Regierungsjob im staatlichen Krankenhaus ) und sicherem Einkommen, so wollte er sie mit dem Bruder seiner Frau verheiraten.
Ein Abschied voller Wärme
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